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Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Titel: Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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auf der Anklagebank sehen, wie er lebenslänglich bekommt. Das will ich!«
      »Wissen Sie, was für ein Leben Ihr Bruder in Athen geführt hat?«
      »Nicht im Detail. Sehen Sie, meine Mutter und ich haben unseren Wohnsitz in Chalkida. Meines Wissens studierte Stelios Gestaltung und Design an der Kunsthochschule und finanzierte mit Werbespots sein Studium.«
      »Wissen Sie, ob er Feinde hatte oder ob jemand eine Rechnung mit ihm offen hatte oder ihm etwas Böses wollte?«
      Sie hebt die Schultern. »Was für Feinde sollte ein junger Mann haben, der Gestaltung und Design studiert und Werbespots dreht?« Doch schlagartig meint sie den tieferen Sinn der Frage zu verstehen. »Ah, Drogen jedenfalls hat er keine genommen, das garantiere ich Ihnen«, meint sie.
      »Man hat uns darauf hingewiesen, daß er -«
      »Homosexuell war!« Sie kommt mir zuvor, vielleicht aus Furcht, aus dem Mund des Bullen einen schlimmeren Ausdruck zu hören. »Das hat man Ihnen gleich gesteckt, was?« fügt sie bitter hinzu.
      »Es ist aus der Befragung hervorgegangen.«
      »Und weil er homosexuell war, muß er sich in zwielichtigen Bars herumgetrieben oder sich als Transvestit verkleidet auf dem Syngrou-Boulevard prostituiert haben, was?«
      Sie stößt es provokant, nahezu vulgär hervor, weniger um mich zu treffen, als um sich selbst zu quälen.
      »Was machen Sie beruflich?« frage ich.
      »Ich bin Sozialarbeiterin.«
      Und da erinnere ich mich an einen Vergleich, den Fanis in einem Gespräch angestellt hat. »Hören Sie, polizeiliche Ermittlungen sind ein wenig wie eine ärztliche Diagnose. Man beginnt beim Offensichtlichen. Das wären in der Medizin die allgemein verbreiteten Krankheiten, bei der Polizei sind es die Feinde des Opfers, verdächtige Beziehungen, anrüchige Zirkel... Zunächst einmal schließen wir das aus, und dann machen wir weiter. So ermitteln wir immer, und nicht nur im Fall Homosexueller.«
      »Wäre Stelios nicht homosexuell gewesen, hätte er bestimmt eine Familie gegründet, Herr Kommissar. Er war so ein ruhiger und ordentlicher Junge.«
      »Folglich ist es ausgeschlossen, daß sein Tod auf Feindschaften oder Zwistigkeiten mit Leuten aus solchen Kreisen zurückzuführen ist.« Ich zögere einen Augenblick, doch schließlich füge ich den schmerzlichen Appendix hinzu. »Ich beharre darauf, weil der Mord an Ihrem Bruder den Eindruck einer Hinrichtung hinterläßt.«
      Einen Augenblick schließt sie die Augen und preßt die Finger an die Schläfen. Ihre Stimme dringt nur mehr als Flüstern an mein Ohr. »Ich habe Ihnen doch gesagt, Stelios lebte in Athen und wir in Chalkida. Daher kenne ich solche Kreise nicht. Ich weiß allerdings, was für ein Mensch mein Bruder war, und daher erscheint es mir extrem unwahrscheinlich.« Sie erkennt, daß ich kurz vor dem Aufbruch stehe, und fühlt die Notwendigkeit, sich zu rechtfertigen. »Entschuldigen Sie, daß ich vorhin bezüglich der Homosexualität meines Bruders so überzogen reagiert habe.«
      »Das ist nur verständlich.«
      »Wir haben sehr unter dieser Geschichte gelitten.« Mit einemmal kehrt ihr aggressiver Zynismus wieder. »Mein Vater hat uns verlassen, als er hinter Stelios' Homosexualität kam.«
      »Wann war das genau?« Wenn er sie erst kürzlich verlassen hat, ist nicht auszuschließen, daß der Vater den Schandfleck auf der Familienehre ein für allemal tilgen wollte.
      »Er ist nicht von sich aus darauf gekommen, jemand hat es ihm gesteckt. Mein Vater hat eine kleine Transportfirma. Eines Tages stritt er sich mit einem Kunden, der nicht zahlen wollte, er drohte, er werde ihn in Schwulitäten bringen, worauf der Kunde antwortete, diesbezüglich möge er doch lieber auf seinen eigenen Sohn achten. Stelios ging damals in die zehnte Klasse des Gymnasiums. Mein Vater kam nach Hause, packte ihn und begann ihn zu verhören. Offenbar erwartete er von seinem Sohn die Bestätigung, er sei ein ganzer Mann und ein rechter Grieche, doch der antwortete ihm nur, sein Liebesleben sei seine eigene Angelegenheit und er solle sich nicht einmischen. Mein Vater hat ihn damals grün und blau geschlagen. Dann hat er meiner Mutter die Schuld gegeben. Sie habe es zu verantworten, daß ihr Sohn eine Schwuchtel geworden sei. Dann haute er ab.«
      »Warum hat er Ihrer Mutter die Schuld gegeben?«
      Sie zuckt mit den Achseln. »Vielleicht weil sie ihn nicht genug geschlagen hat. Oder weil sie ihn zu einem Künstler gemacht hat,

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