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Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Titel: Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Nicht wahr, Christos?«
      »Genau«, entgegnet Sotiropoulos. »Zu Gesicht bekommen ist allerdings übertrieben, denn sie sind von Kopf bis Fuß vermummt.«
      Das erste Boot der Hafenpolizei hat sein Ziel erreicht, und die El Greco läßt das Fallreep herunter. Die Kamera zoomt das Schiff in dem Moment heran, als die ersten Passagiere mit Hilfe der Polizisten ausgebootet werden. Die Frauen, die ihre Kinder im Arm halten, sind leicht zu erkennen. Die Alten kann man durch die Langsamkeit ihrer Bewegungen einordnen. Die Menschen am Hafen sind zwar nicht zu sehen, doch das Raunen ist zu hören, das durch die Menge geht, als die Passagiere in die Boote der Hafenpolizei steigen.
      »Wie viele werden freigelassen, Christos?« fragt der Moderator.
      »Eine genaue Zahl ist nicht bekannt. Die Hafenpolizei ließ verlautbaren, daß man mit etwa achtzig Personen rechne.«
      Das erste Boot ist voll, doch statt Kurs auf den Hafen zu nehmen, fährt es mit einer Rechtskurve auf das offene Meer hinaus.
      »Was geht hier vor?« fragt der Moderator verdattert.
      Mir ist es klar, nur kann ich es ihm nicht soufflieren. Das Raunen der Menge sagt es ihm: »Sie bringen sie nach Souda! Sie bringen sie nach Souda!«
      »Das wurde geheimgehalten«, meint Sotiropoulos verärgert. »Das wurde uns nicht mitgeteilt, um die Geiseln in aller Ruhe zuerst durch die Antiterrorabteilung befragen zu lassen, bevor sie sich den Fragen der Journalisten stellen.«
      »So etwas ist nicht korrekt. So führt man nicht nur die Journalisten, sondern auch die öffentliche Meinung in die Irre«, ergänzt der Moderator erbost.
      Die Kamera schwenkt wieder zum Hafen und erfaßt eine riesige Menschenmenge, die sich unter Püffen und Tritten von der Küstenstraße abwendet, um mit dem Auto Richtung Souda zu rasen.
      »Wie es aussieht, Christos, werden Sie auch nach Souda aufbrechen müssen«, meint der Moderator zu Sotiropoulos.
      »Das war ein geschickter Schachzug«, entgegnet Sotiropoulos nicht ohne Anerkennung. »Bis wir in Souda sind, haben sie die Passagiere in Empfang genommen und isoliert, so daß wir vor der Vernehmung keinen Kontakt zu ihnen aufnehmen können.«
      Auch ich muß vor unseren Leuten den Hut ziehen. Der Organisator der Aktion hat gute Arbeit geleistet. Ein Boot der Hafenpolizei nähert sich dem Schiff, um die zweite Ladung aufzunehmen, doch die Ausbootung der Passagiere interessiert mich nicht weiter. Viel lieber möchte ich hören, was Gikas bei der Vernehmung in Erfahrung bringt.
      Ich steige in den Mirafiori und begebe mich auf den Rückweg nach Athen. Als ich die Brücke überquere, kommt mir plötzlich ein Gedanke in den Sinn: Was wäre, wenn Igor Schaljapin recht hat? Wenn es nun tatsächlich Tschetschenen sind und sie die Alten und Frauen mit Kindern nur freilassen, um die übrigen dann hinzurichten, indem sie das Schiff in die Luft sprengen?
      Das sicherste Mittel, aufkeimende Freude zu ersticken, ist Angst. Innerhalb kürzester Zeit ist jede Spur davon ausgemerzt. Ich versuche, meine Beherrschung wiederzuerlangen und logisch zu denken. Es ist nicht das erste Mal, so sage ich mir, daß Terroristen Alte und Frauen mit Kindern freilassen und die übrigen Erwachsenen als Geiseln zurückbehalten. Bei fast allen Flugzeugentführungen wird so vorgegangen. Ja, aber wie ist es zu erklären, daß bislang keinerlei Forderung gestellt wurde? Araber und Palästinenser übernehmen zumindest sofort die Verantwortung oder formulieren ihr Anliegen. Doch, genauer besehen, trifft auch das nicht zu. Bei den Bombenattentaten in London waren Tage verstrichen, bis al-Qaida die Verantwortung übernahm. Genauso wie zuvor in Madrid. Zunächst fand sich keine Organisation, die sich - direkt oder indirekt - zu dem Anschlag bekannte. Und was Forderungen im allgemeinen betrifft, so gehören sie ohnehin in die gute alte Zeit, als man durch ihre Erfüllung und die Bereitstellung einer Fluchtmöglichkeit für die Terroristen als Gegenleistung die Freilassung der Geiseln erreichen konnte. Folglich muß es sich nicht um Tschetschenen handeln. Es können genausogut Araber oder Palästinenser sein.
      Da es mir nicht gelingen will, mich an den positiven Entwicklungen aufzurichten, greife ich auf Gikas zurück. Ich bleibe vor der Auffahrt auf die Nationalstraße stehen und rufe ihn auf seinem Mobiltelefon an.
      Scheinbar hat er meine Nummer erkannt, denn er antwortet kurz angebunden: »Ich rufe Sie gleich zurück« und legt

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