Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
einer JunggesellenWohnung von vierzig Quadratmetern verbergen? Sie verfügt nur über das Nötigste und hütet keinerlei Geheimnis. Wenn überhaupt, würde es sich im zweitürigen Einbauschrank verbergen, doch dort ist nichts zu finden. Kleider und Schuhe sind alle von einer Größe, was bedeutet, daß Ifantidis allein lebte und keine regelmäßigen oder kurzfristigen Mitbewohner hatte. Das Badezimmer bestätigt meinen Gedankengang. Alles ist tipptopp aufgeräumt und nur in einfacher Ausfertigung vorhanden: eine Zahnbürste, eine Zahnpastatube, eine Haarbürste. Die Wohnung blitzt vor Sauberkeit. Würde Adriani Preise für Haushaltsführung vergeben, so wäre Ifantidis ihr großer Favorit.
In der Mitte des Raumes thront, mit Blick auf die Veranda, ein Zeichentisch. Ich blättere die darauf liegenden Entwürfe durch, kann jedoch nichts Interessantes entdecken. Im Büroschrank nebenan stoße ich auf zwei Schubladen voll mit halbfertigen und abgeschlossenen Entwürfen, wobei alles peinlich genau geordnet ist.
»Habt ihr was gefunden?« frage ich das Team der Spurensicherung.
»Das Übliche, auf den ersten Blick nichts Auffälliges«, entgegnet Dimitriou, der Teamleiter. »Adreßbuch oder Terminplaner ist jedenfalls nicht aufgetaucht. Wir haben überall gesucht
Er muß ein Adreßbuch oder Filofax besessen haben, da er als Model gearbeitet hat. Nachdem wir auch kein Handy vorgefunden haben, muß es der Mörder gewesen sein, der alles verschwinden ließ.
Was die Wohnung nicht preisgibt, verraten möglicherweise die Nachbarn, sage ich mir. Ich stürme das Treppenhaus hinunter und beginne auf Klingelknöpfe zu drücken. In der vierten Etage liegen zwei Wohnungen, doch niemand öffnet. Daraufhin versuche ich mein Glück in der dritten Etage. Als ich schon drauf und dran bin, mein Schicksal zu verfluchen, höre ich, wie hinter mir die Tür des Fahrstuhls aufgeht und eine Frauenstimme fragt: »Suchen Sie jemanden?«
Die Mittvierzigerin, welche die Frage stellte, kommt offensichtlich gerade aus dem Frisiersalon. Ihr schweres Parfüm kitzelt mich in der Nase.
»Kommissar Charitos. Ich hätte da ein paar Fragen zu -«
»Ah, es geht um den jungen Mann, der umgebracht wurde, nicht wahr? Kommen Sie herein«, sagt sie zuvorkommend und schließt die Wohnungstür auf.
Sie führt mich in einen Flur, wo ein großer Tisch mit Marmorplatte und Marmorfüßen thront, über dem ein schwarz gerahmter Spiegel hängt. Genau gegenüber steht ein Gipsabguß des Diskuswerfers, allerdings nur halb so groß wie das Original. Die Frau führt mich durch den Flur ins Wohnzimmer, womit wir übergangslos von Perikles' Zeitalter zur Epoche Louis xiv. wechseln, denn im Wohnzimmer herrschen holzgeschnitzte Möbel mit vergoldeten Beinen und grüner Polsterung vor.
Ich nehme auf einem der goldgrünen Sessel Platz und die Mittvierzigerin mir gegenüber. »Darf ich Ihnen etwas anbieten?« schlägt sie vor. »Einen Kaffee vielleicht?«
»Nein, danke. Sagen Sie mir bitte Ihren Namen?«
»Ourania Nestoridou.«
»Kanten Sie Stelios Ifantidis?«
»Was für eine Frage, Herr Kommissar! Ist es denn möglich ihn nicht zu kennen?« entgegnet sie nahezu beleidigt. »Schließlich war er auf allen Sendern zu sehen.«
»Das meine ich nicht, Frau Nestoridou. Meine Frage lautet, ob Sie ihn als Nachbarn kannten. Aus dem Wohnhaus.«
»Nein, nur vom Sehen, und auch das nur selten. Er war ein ruhiger junger Mann. Soviel ich weiß, gab es keine Beschwerden über ihn. Er hat sich auch mit keinem anderen Mieter angelegt -« Sie hält kurz inne und fügt hinzu: »Vielleicht weil er keine Angriffsfläche bieten wollte.«
Ich verstehe sofort, worauf sie hinauswill, doch ich stelle mich unwissend. »Warum wollte er das nicht?«
Die Nestoridou zögert und blickt mich verlegen an. »Er war _ andersrum, wissen Sie«, meint sie schließlich.
»Und das war der Grund, warum er keinen Anlaß für Kommentare bieten wollte?« Die Aussagen von Ifantidis' Schwester bewahrheiten sich nach und nach.
»Verstehen Sie denn nicht? Solche Leute schämen sich im Grunde doch. Sie haben ihre Ängste, ihre Komplexe. Natürlich gibt es auch da schamlose Typen, aber dieser arme Junge war alles andere als schamlos.«
»Haben Sie ihn je in Gesellschaft oder mit anderen Männern gesehen?«
»Nein. Immer wenn ich ihn traf, war er allein.«
Ich sehe, daß nichts Interessantes mehr herausspringt, und
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