Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
gedeutet.
»Wissen Sie, ob er Liebesbeziehungen hatte?«
»Nur gelegentlich. Für eine Nacht oder für ein Wochenende, wie er es nannte. Nichts Festes.«
»Haben Sie gesehen, wie Freunde bei ihm ein und aus gingen?«
»Nein, in seiner Wohnung wollte er niemanden haben.«
»Warum? Um keinen Anlaß für Tratsch zu bieten?«
»Nein. Er wollte einfach nicht, daß andere in seine Privatsphäre eindrangen.«
Ich führre mir die Einrichtung von Ifantidis' Wohnung vor Augen und komme zum Schluß, daß die Begründung vermutlich stimmt.
»Nur zweimal habe ich gesehen, wie ihn ein junger Mann mit Motorrad vor dem Haus abgeholt hat...« Sie hält inne und fügt dann hinzu: »Er war ein wenig seltsam.«
»Was verstehen Sie unter seltsam?«
»Eine seltsame Erscheinung. Er trug einen Helm, hatte den Körperbau eines Ringers und trug eine Lederjacke mit goldenen Knöpfen und hohe Militärstiefel. Ich wollte Stelios nach ihm fragen, aber ich genierte mich.«
»Wieso?«
»Ich erinnerte mich an die Worte meines verstorbenen Mannes. Solche wie Stelios gingen nicht nur mit Männern, sondern sie hätten auch einen seltsamen Geschmack. So genierte ich mich zu fragen.«
Hätte sie ihn gefragt, so hätte Stelios ihr gegenüber wahrscheinlich irgendeine Ausrede gebraucht. Ob er wohl ein Gelegenheitslover oder ein regelmäßiger Besucher war? Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir das auch nie erfahren.
Ich habe keine Fragen mehr an die Teloni und erhebe mich. Sie begleitet mich zur Wohnungstür, während der Hund hinter ihr kläfft - froh, mich loszuwerden.
Als ich auf die Plapouta-Straße hinaustrete und zur Kallidromiou-Straße gehe, wo ich meinen Wagen abgestellt habe, läutet mein Handy. Ich nehme das Gespräch an, in der Hoffnung, von Gikas eine weitere gute Nachricht zu hören. Doch die Stimme am anderen Ende ist mir unbekannt.
»Palioritis aus dem Labor, Herr Kommissar. Könnten Sie kurz bei uns vorbeikommen? Wir sind auf etwas sehr Eigenartiges gestoßen.«
»Etwas Eigenartiges? Reden Sie Klartext.«
»Es ist schwer zu beschreiben. Sie müssen es aus der Nähe sehen.«
»Gut, ich komme.«
Wenn man mich auf dem Mobiltelefon anruft und ins Labor zitiert, muß es sich tatsächlich um etwas Außergewöhnliches handeln.
* 14
Ich brauche fast eine Dreiviertelstunde, um von der Plapouta-Straße zum kriminaltechnischen Labor zu gelangen. Wer das sanfte Dahinplätschern des Straßenverkehrs während der Olympiade bejubelte und das Athener Chaos für beendet hielt, wurde durch den wiederkehrenden alltäglichen Verkehrssumpf bald eines Besseren belehrt. »Ein kleines Wunder hält drei Tage an, ein großes höchstens vierzig«, behauptete meine Mutter selig. Das Wunder der Olympischen Spiele schaffte es auf knapp vierzig Tage, und danach war alles wieder beim alten.
Schweißgebadet treffe ich im Labor ein, wo Palioritis schon wie auf glühenden Kohlen sitzt. Er packt mich mit einem »Kommen Sie!« am Arm und führt mich schnurstracks zu seinem pc. »Setzen Sie sich, und sagen Sie mir, was Sie hier sehen«, meint er.
Was ich auf dem Bildschirm sehe, hat die Form eines von vorne besehenen Gewehrlaufs: ein kreisförmiges Loch und sternförmig auseinanderstrebende Linien.
»Ist es das Einschußloch auf der Stirn?«
»Ja, aber nicht nur das, auch der Abdruck des Laufs ist zu sehen, da der Schuß aus nächster Nähe abgefeuert wurde.« Sein Blick bleibt auf den Bildschirm geheftet, und er wispert, mehr zu sich selbst als zu mir: »Und hier fangen die Ungereimtheiten an.«
»Was für Ungereimtheiten?«
»Fangen wir mit dem Einfachsten an. Die verwendete Munition ist eine 9-mm-Parabellum. Solche Patronen sind durchaus gängig, daher war ich sicher, daraus gleich die Tatwaffe ableiten zu können. Doch dann habe ich festgestellt, daß der Lauf von einer alten Pistole stammt.«
»Wie alt?«
»Möglicherweise sogar aus dem Zweiten Weltkrieg.«
Ich blicke ihn überrascht an. Diese Reaktion hat er schon erwartet und lächelt befriedigt. »Herr Kommissar, die Tatwaffe ist entweder eine Pistole der deutschen Marke Luger oder ein us-amerikanischer Colt M 1911. Für beide wurden 9-mm-Parabellum-Patronen benutzt, und beide waren im Zweiten Weltkrieg im Einsatz.«
Ich blicke auf den dargestellten Abdruck auf dem Bildschirm, der für mich nichtssagend, für Palioritis jedoch eine Fundgrube ist und auf
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