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Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär

Titel: Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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habe kaum Zeit, mich von dem Schrecken zu erholen, als Adriani in denselben Kleidern erscheint, mit denen sie aus Athen abgereist ist. Um die Wahrheit zu sagen, trifft mich ihr Auftauchen auf dem Bildschirm nicht ganz unvorbereitet. Ich habe das Übel kommen sehen, das unvermeidlich wie der Regen nach dem Südwind früher oder später eintrifft. Ich schiebe den Tavernenbesuch auf und setze mich wieder auf meinen Platz - bereit, in den sauren Apfel zu beißen.
      »Glauben Sie, daß sich die Geiselhaft Ihrer Tochter dem Ende nähert?« fragt der Korrespondent Adriani.
      »Nun ja, seit Tagen ist es diese Hoffnung, die uns durchhalten läßt.«
      »Jedenfalls sieht es jetzt so aus, als wäre man der Freilassung der Geiseln näher denn je gekommen.«
      »Hoffentlich, so scheint es, aber ich glaube es erst, wenn ich mein Mädchen in den Armen halte.«
      Bislang gehen ihre Antworten in die richtige Richtung, sage ich mir: die gramgebeugte Mutter, die ihr eigen Fleisch und Blut so schnell wie möglich wieder in die Arme schließen möchte.
      »Frau Adriani, sagen Sie mir ehrlich, wie haben Sie sich gefühlt, als sich herausstellte, daß die Terroristen Griechen sind? Haben Sie nicht eher mit Islamisten gerechnet, wie etwa bei den Attentaten von Madrid oder London?«
      »Ich war tatsächlich überrascht, aber auch erleichtert.«
      »Wieso?«
      »Weil es trotz allem Landsleute sind. Und, wenn man es recht bedenkt, so haben sie ja kein Verbrechen begangen. Sie sind ihren christlichen Brüdern zu Hilfe geeilt. Ist es denn nötig, sie eines Kriegsverbrechens zu beschuldigen und sie vor ein ausländisches Gericht zu stellen? Seit unserem Eintritt in die EU lassen wir alles die Europäer bestimmen. Das kommt dann dabei heraus.«
      »Sie glauben also, daß die Terroristen recht haben?«
      »Welche Terroristen denn! Es sind griechische Landsleute, Christen, die ihren christlichen Nachbarn zu Hilfe gekommen sind. Ich erinnere mich, als ich klein war, lief das ganze Viertel herbei, wenn ein Nachbar in Not war. Heutzutage wird weggeschaut. Es wäre schlimm, wenn wir selbst die christliche Nächstenliebe vergäßen.«
      Der Korrespondent hat erfaßt, daß er auf eine Goldmine gestoßen ist, und bohrt eifrig nach. Was mich betrifft, so bin ich drauf und dran, auf den Fernseher zuzuspringen, um sie zu packen und zur Räson zu bringen. »Sie sind Gattin eines Polizeibeamten. Glauben Sie, daß auch Ihr Mann, der - wenn ich nicht irre - den Rang eines Kommissars bekleidet, genauso denkt wie Sie?«
      »Ich habe mit meinem Mann nicht darüber gesprochen, aber ich bin sicher, daß er auch so denkt. Unsere Familie hält fest zusammen.«
      Der Korrespondent dankt ihr und wünscht, ihre Tochter möge bald wieder bei ihr sein. Adriani verschwindet vom Bildschirm, und ich stürze mich auf mein Handy.
      »Was hast du da bloß erzählt?!« schreie ich.
      »Wieso, hab ich es nicht gut gemacht?«
      »Gut gemacht! Wo du den Terroristen einen Freibrief ausgestellt hast?«
      »Um mein Kind zu retten, hätte ich auch dem Teufel einen Freibrief ausgestellt.«
      »Die Anspannung ist dir zu Kopf gestiegen, und du weißt nicht mehr, was du sagst. Glaubst du, daß die Terroristen Katerina freilassen werden, nur weil du dich bei ihnen einschmeichelst?«
      »Eine Hand, die man nicht beißen kann, muß man küssen. So lautet das Sprichwort. Und nach all dem, was ich diese Tage gesehen habe, kann die zahnlose Polizei nicht einmal mehr in ein weiches Brötchen beißen. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als Hände zu küssen«, meint sie und drückt einfach die rote Taste.
      Ich lasse den Fernseher laufen und die Lichter an und gehe kurz entschlossen aus der Wohnung. Nicht um in einer Taverne zu essen, sondern um mir auf den Straßen der Stadt Luft zu verschaffen.
     
     

* 18
     
    Gegen vier Uhr morgens ist es mir endlich gelungen einzuschlafen. Ich muß einen Albtraum nach dem anderen gehabt haben, da ich mich beim Aufwachen zwischen all den erinnerten Traumbildern kaum zurechtfinde. Darunter waren viele Momentaufnahmen von Katerina, von denen einige an ihre Disputation erinnerten, die Ewigkeiten zurückzuliegen scheint. Danach abwechselnd vermummte Gestalten mit Kalaschnikows, Adriani, die mich ausschimpft, aber auch Schiffchen, die im ruhigen Wasser der Kykladen dahinziehen.
      Es ist halb acht Uhr morgens, und ich laufe ungewaschen und ungekämmt zum Fernseher. Sowie ich den Einschaltknopf

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