Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
selbst erzählen. Ich habe keine Kraft mehr zum Weitersprechen.«
»Man hat sie nicht freigelassen, Kommissar!« bestätigt mir Fanis, sobald er den Apparat übernimmt.
»Beruhige dich und erzähl mir alles der Reihe nach.«
»Als alle Griechen an Deck waren, kamen zwei von diesen vermummten Halunken und haben Katerina abgeführt. >Du bist die Tochter eines Bullen und bleibst hier<, sagten sie zu ihr. Ich wollte sie daran hindern, aber sie hielten mich fest. Ich versuchte mich loszureißen und schrie, sie sollten mich zurückbehalten und statt dessen Katerina freilassen. Das einzige, was ich erreicht habe, war, daß sie mich außer sich vor Wut vom Deck ins Wasser warfen.«
»Sie haben keine Erklärung dafür abgegeben, warum sie sie zurückbehalten haben?«
»Ich sagte doch, sie behaupteten, weil sie die Tochter eines Bullen sei.« Er hält kurz inne und fügt dann mit vor Anspannung zitternder Stimme hinzu: »Unternimm etwas, Kommissar. Die Gerüchte besagen, die zurückbehaltenen Geiseln seien zur Erschießung vorgesehen.«
»Das ist doch Blödsinn«, sage ich so überzeugend wie möglich. »Sie haben ein paar zurückbehalten, um weiter erpressen zu können.« Fanis' Antwort entgeht mir, da Adrians Stimme dazwischendringt.
»Ich bin schuld, Kostas! Ich habe sie mit meinem Interview auf die Idee gebracht! Es war richtig, als du meintest, ich sollte nicht reden. Am liebsten würde ich mir die Zunge abbeißen!«
»Das wissen die nicht erst aus dem Interview. Die haben Handys und Informanten von außerhalb.«
»Wenn unserem Mädchen irgend etwas zustößt, dann bringe ich mich um.«
Ich frage mich, was ich zuerst tun soll: herausfinden, warum Katerina festgehalten wurde und wie stark sie gefährdet ist, oder Adriani zur Räson zu bringen, bevor sie in der Klapsmühle landet. »Gib mir nochmals Fanis.«
»Ich höre«, sagt er, und seine Stimme zittert immer noch.
»Ich versuche herauszukriegen, was los ist und warum sie festgehalten wird. Du übernimmst es in der Zwischenzeit, Adriani zu beruhigen, weil sie bald einen Psychiater braucht, wenn das so weitergeht. Sowie ich etwas weiß, rufe ich dich an. Nötigenfalls komme ich mit dem ersten Flug nach Chania.« Das »nötigenfalls« ist nur so dahingesagt, denn ich werde es auf jeden Fall tun.
»In Ordnung, aber hol dir schnell ein Pensordil Akut aus der Apotheke.«
»Wozu?«
»Weil kein Mensch einen solchen Streß unbeschadet aushält, und du kennst deine Schwachstelle.«
Nach dem Gespräch steige ich sofort in meinen Wagen. Der Fall Ifantidis wird bis auf weiteres auf Eis gelegt. Bevor ich mein nächstes Reiseziel festlege, rufe ich Gikas auf seinem Mobiltelefon an.
»Immer mit der Ruhe, Kostas!« ist sein erster Satz. »Ich verstehe, was Sie durchmachen, aber jetzt ist Besonnenheit angesagt.«
»Konnten Sie in Erfahrung bringen, warum man sie zurückbehalten hat?«
»Noch nicht, aber sie werden es uns erklären.«
»Wie viele haben sie noch in ihrer Gewalt?«
»Alle Ausländer, den Kapitän, zwei Besatzungsmitglieder - und Ihre Tochter.«
»Herr Kriminaldirektor, ich komme nach Chania. Ich kann nicht hier bleiben. Alles andere muß warten.«
»Ich verstehe, aber warten Sie auf meinen Rückruf. Ich weiß nicht, vielleicht müssen Sie vor Ihrer Abreise noch ein paar Dinge klären.«
Sein Argument leuchtet mir ein, und ich beschließe, zuerst bei meinem Büro vorbeizuschauen. Was auch immer Neues sich ergibt, die ersten, die es erfahren, werden ohnehin die Polizeibeamten sein - gleich nach den Fernsehjournalisten.
Ich fahre weiter zum Fernbusbahnhof, um von dort auf den Acharnon-Boulevard zu gelangen. Während ich an der Ampel warte, sind meine Gedanken bei Katerina und Adriani. Ich habe Gewissensbisse, daß ich hier sitze und mich mit einem Mord herumschlage, den sehr wohl auch Vlassopoulos bewältigen könnte. Wo sonst ist mein Platz, wenn nicht an der Seite jener, die für die Rettung meines Kindes und der anderen Geiseln kämpfen? Wenn ich aus Pflichtgefühl und als moralisch-psychologischen Zierat »und der anderen Geiseln« hinzufüge, so muß ich doch zugeben, daß einzig und allein Katerina mir am Herzen liegt. Und wie soll bloß Adriani, mit deren Hysterie nicht einmal zehn Selbstmordattentäter der al-Qaida zurechtkämen, die Situation aushalten? Für Fanis ist die Lage kritisch, da auch seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt sind. Und
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