Kostas Charitos 05 - Der Großaktionär
betätige, sehe ich die Namen der Passagiere, welche die Erklärung der Terroristen unterzeichnet haben. Mit Herzklopfen warte ich auf die Erwähnung von Katerinas und Fanis' Namen, und als ich sie lese, fühle ich mich überaus erleichtert, zugleich jedoch auch zutiefst erniedrigt. Mir ist, als klatschte und buhte ich gleichzeitig.
Kurz spiele ich mit dem Gedanken, vor dem Fernseher zu verweilen, um Katerina und Fanis beim Verlassen des Schiffes zuzusehen. Die Regierung hat, wenn auch nur indirekt, fast alle Forderungen der Terroristen akzeptiert, also ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Geiseln freikommen. Doch ich überlege mir, daß meine Anspannung bis ins Unermeßliche steigen könnte. Und da ich keine Lust habe, neuerlich mit einem drohenden Herzanfall im Allgemeinen Staatlichen Krankenhaus zu landen, beschließe ich, meine Ermittlungsroutine stur einzuhalten und Stelios Ifantidis' Vater einen Besuch abzustatten.
Ifantidis' Transportfirma liegt in der Tertipi-Straße, ganz in der Nähe des Fernbusbahnhofs nach Zentralgriechenland und Euböa. Es ist halb neun Uhr morgens, und auf den Straßen ist die Hölle los. Bis ich beim Larissis-Bahnhof angelangt bin, droht dem Mirafiori die Puste auszugehen.
Mein Mobiltelefon läutet, als ich in die Tertipi-Straße einbiegen will. Adrianis aufgeregte Stimme dringt an mein Ohr: »Wir sind gerade unterwegs zum Hafen! Sie lassen alle frei. Die Hafenbehörde schickt Schnellboote zur Geiselübergabe!«
Da ich die akrobatische Übung, mit der Rechten zu lenken und mit der Linken das Handy zu halten und zu sprechen, noch nicht perfektioniert habe, zittert meine Hand, und ich verliere beinah die Kontrolle. Im letzten Augenblick gelingt es mir, das Steuer herumzureißen, um einem panzerartigen BMW auszuweichen. Sein Fahrer, ein kahlgeschorener baumstarker Kerl mit Ohrring, kurbelt das Wagenfenster herunter, schlägt sich wiederholt an die Stirn und brüllt: »Was willst du mit einem Handy in der Schrottkarre? Du hast Glück, daß du mir keinen Kratzer gemacht hast, sonst könnte man deine Bestandteile einzeln aufsammeln, Alter!« Wenn du ein Bulle bist und dir jemand in so abwertender Weise deine Freude vergällt, dann sehnst du dich ganz automatisch wieder in die Juntazeit zurück.
»Wo bist du denn?« fragt Adriani.
»Wieder dran, alles in Ordnung«, entgegne ich und gewinne meine Fassung wieder.
»Nimm dir zu Mariä Himmelfahrt nichts vor, denn wir fahren nach Tinos. Ich habe gelobt, der Gnadenmutter ein Silberkreuz zu spenden.«
»Kümmere dich zuerst um Plätze für den Flug nach Athen und dann um die Wallfahrt nach Tinos. Falls nötig, kann ich die Tickets auch von hier aus besorgen.«
»Wir finden Plätze, keine Sorge. Wenn wir weder ein Flug- noch ein Fährticket kriegen, dann schwimmen wir eben«, sagt sie und legt auf.
Beim Einbiegen in die Tertipi-Straße erkenne ich rechterhand die Aufschrift »>Das Schöne Euböa<, Transportfirma Periklis Ifantidis«. Der Inhaber sitzt hinter einem kleinen Schreibtisch von der Art, wie wir sie früher bei der Polizei auch hatten, um riesige Schreibmaschinen der Marke Olympia oder Olivetti darauf abzustellen. Meine Erwartung, einen Schnurrbartträger mit verschwitztem Hemd und hervorquellender Wampe anzutreffen, wird enttäuscht. Der hinter dem Schreibtisch sitzende Typ ist mittelgroß mit Glatze, wobei der spärliche Haarkranz den Kopf wie ein Heiligenschein umgibt. Sein Körper wirkt durchtrainiert und kräftig. Er hebt die Augen über seine Brillenhälften und blickt mich an.
»Periklis Ifantidis?« frage ich forschend.
»Das bin ich.«
»Kommissar Charitos.«
Er wirkt einen Moment lang unentschlossen, ob er mir einen Platz anbieten oder mich stehen lassen soll. Schließlich deutet er auf einen Resopalstuhl ihm gegenüber.
»Setzen Sie sich.« Kaum habe ich Platz genommen, stellt er auch schon seine Position klar. »Mit meiner Familie in Chalkida habe ich jeden Kontakt abgebrochen. Also kann ich Ihnen nichts über Stelios sagen. Weder wie er gelebt hat, noch mit wem er Umgang hatte.«
»Das ist uns alles bereits bekannt. Von Ihnen möchte ich gerne wissen, warum Sie einen solchen Haß auf Ihren Sohn hatten. War die Tatsache, daß er homosexuell war, der einzige Grund, oder steckte noch etwas anderes dahinter?«
Einen Augenblick lang blickt er mich nachdenklich an. Dann meint er ruhig, fast im Plauderton: »Sie sind Polizist. Wenn Sie einen
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