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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Bordsteinkante.
      »Sagen Sie mal, was hat eigentlich der Taxifahrer vorhin zu Ihnen gesagt?«, fragt Adriani.
      »Anfänglich hat er mich beschimpft, hat mich blöde Kuh und alte Vettel genannt und gemeint, wenn ich keine Frau wäre, würde er mich zu Brei schlagen. Aber dann sah er, dass ich stehen geblieben war und zu weinen begann, da kam er angelaufen und hat mich um Verzeihung gebeten, er hat mich gefragt, was mir fehle und ob er mir helfen könne. Sehen Sie, so ist Istanbul, und so sind die Menschen hier. Es gibt Momente, da sind sie einfach zauberhaft.«
      »Sag mal, Aleka, wo sind wir eigentlich? Hier komme ich zum ersten Mal vorbei«, sagt die Mouratoglou, offenbar um das Gespräch auf ein ungefährliches Terrain zu lenken.
      »Ich sagte mir, ich umfahre Ayvansaray großzügig und nehme die Strecke von Topkapi nach Edirnekapi, um den Verkehr zu vermeiden, der in Fatih herrscht«, erklärt die Kourtidou, offensichtlich erleichtert über den Themenwechsel.
      Ich weiß nicht, ob ihr Plan aufgeht, bislang jedenfalls sind wir im Schritttempo unterwegs. Ich versuche mich zu erinnern, wie es die letzten beiden Male war, als ich zum Polizeipräsidium fuhr, und komme zum Schluss, dass es auf dasselbe hinausläuft.
      »Darüber hinaus ist es auch eine Gelegenheit für den Kommissar und Adriani, eine Spritztour durch Istanbul zu unternehmen«, meint die Mouratoglou.
      »Das hängt davon ab, was du darunter verstehst«, entgegnet die Kourtidou. »Früher wohnten in diesen Wohnvierteln Ticani und Qarsafli.«
      »Entschuldigung, aber ohne Untertitel verstehe ich nur Bahnhof«, meint Adriani. Sie wähnt sich offensichtlich in einer jener fremdsprachigen Serien, die sie so gern im Fernsehen verfolgt.
      »Die Ticani sind Angehörige einer religiösen Sekte, aber wir nennen alle reaktionären Frömmler so«, erläutert die Mouratoglou. »Und Qarsafli waren die Frauen, die mit dem Tscharschaf, dem bodenlangen schwarzen Überwurf, herumliefen. Aber nehmen Sie diese Ausdrücke nicht zu wörtlich. Für die hiesigen Griechen bedeuteten sie einfach Habenichtse und Hungerleider. Alle armen Schlucker, die nicht in diese beiden Kategorien fielen, galten als Zigeuner.«
      Plötzlich löst sich der Stau wie durch Zauberhand auf. Die Kourtidou steigt aufs Gas, und der Mercedes braust los.
     
     

* 16
     
    Ich sitze in einem neutral und unpersönlich wirkenden kleinen Aufenthaltsraum. Mir gegenüber haben zwei alte Männer Platz genommen, die Zwillinge oder auch Zöglinge eines altmodischen Waisenhauses sein könnten: Sie tragen das gleiche weiße Hemd mit blauen Streifen, die gleiche hellgraue Hose mit Hosenträgern sowie Hausschuhe derselben Farbe. Nur ihre Gesichter unterscheiden sich. Herr Charalambos, offiziell als Charalambos Sefertzidis bekannt, hat alle seine Zähne verloren - nach seinem Gesichtsausdruck zu schließen empfindet er den Verlust allerdings wohl eher als Erlösung.
      »Ich esse nur Suppen und Joghurt, dann und wann einen Kartoffelbrei«, erläutert er mir. »Im Winter geben sie mir Obstbrei. Im Sommer komme ich mit Wassermelonen ganz gut über die Runden, aber noch besser mit Feigen.«
      »Weil du ein Holzkopf bist und kein Gebiss tragen willst«, sagt Herr Sotiris, offiziell als Sotirios Keremoglou bekannt, dessen Zähne - wenn auch mit künstlicher Unterstützung - tadellos sind, und er lächelt breit, um sie zur Schau zu stellen. Er trägt eine pechschwarze, das Gesicht zur Hälfte verdeckende Hornbrille, mit der er an Onassis erinnert.
      »Einen größeren Kaprizenschädel als diesen Herrn hier gibt es auf der ganzen Welt nicht. Dickkopf nennt ihr Griechen aus Griechenland so jemanden. Sagt man weiß, sagt er schwarz. Sagt man schwarz, sagt er weiß - ein Querulant ist er. Warum hat Gott mir im Alter so ein Kreuz aufgebürdet...«
      Der Zahnlose grinst lautlos und listig und murmelt ein paarmal »Wenn du mich nicht hättest...« vor sich hin, bis er dessen überdrüssig wird und verstummt. Ich will sie von ihrem Trip herunterholen, um einige vernünftige Angaben zu erhalten, doch ich fürchte, dass meine Bemühungen vergeblich sein werden. Zweimal habe ich sie bereits gefragt, ob sie Maria Chambou kennen, doch beide überhören mich geflissentlich. Viel lieber würde ich jetzt im Mercedes der Kourtidou eine Rundfahrt durch Istanbul machen. Doch mein berufliches Gewissen lässt mir keine Ruhe, und so stelle ich die Frage ein allerletztes Mal.
      »Kennt einer von

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