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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Weg, um an weitere Hinweise zu kommen. Vielleicht erfahren wir so, wo sie wohnt.«
      Er wirft mir über den Rückspiegel einen schrägen Blick zu. »Halten Sie das wirklich für eine gute Idee?«
      »Haben Sie eine bessere?«, entgegne ich gereizt, weil ich aus seiner Stimme einen gewissen Dünkel heraushöre.
      »Wenn wir das Foto einer Istanbuler Griechin, die obendrein Pontusgriechin ist, in die Zeitung setzen und verlautbaren, dass sie bislang zwei Menschen in Istanbul umgebracht hat, wovon einer auch noch Türke ist, dann werden alle in der Türkei lebenden Griechen von Stund an Ziel von Übergriffen sein. Man wird sie beschimpfen, man wird sie attackieren, und kein Einziger wird sich schützend vor sie stellen. Selbst wir werden dem Volkszorn eine gewisse Berechtigung nicht absprechen können und geflissentlich wegschauen.«
      Dieses Argument habe ich nicht erwartet. Gegen meinen Willen entfährt mir eine halbe Beleidigung. »Wie kommt es denn, dass Sie sich so um das Wohl der in der Türkei lebenden Griechen sorgen?«
      Er antwortet mir nicht sofort, sondern lenkt den Streifenwagen an den Fahrbahnrand und parkt in zweiter Spur. »I am a child of the Turkish minority in Germany«, erläutert er mir. »Ich bin als Mitglied der türkischen Minderheit in Deutschland aufgewachsen. Jedes Mal, wenn ein Türke jemanden tötete, etwas stahl oder jemanden zusammenschlug, fiel das auf alle zurück, weil man uns alle gleichsetzte. Am Morgen kam ich aufs Polizeirevier, und das Erste, was ich hörte, war: >Na, deine Landsleute haben wieder mal zugeschlagen, was?<« Er macht eine kleine Pause und fährt dann fort: »Die Türkeitürken können das nicht verstehen. Sie meinen, immer noch in den alten Zeiten zu leben, als ihnen die Minderheiten lästig waren, und sie vergessen, dass wir heutzutage in anderen Ländern selbst zu Minderheiten geworden sind. In Deutschland, in Österreich, in England... Und dass uns dasselbe Schicksal ereilt wie alle anderen Minderheiten auch.«
      Ich versuche, dem Ganzen eine scherzhafte Wendung zu geben. »Ganz so schlimm wird es schon nicht sein. Aber gut, lassen wir das mit dem Foto vorläufig bleiben.«
      Ich sage das, um ihn zu beschwichtigen, doch er redet sich in Rage. »Weil Sie auch zur Mehrheit gehören und nicht begreifen können, was es heißt, Angehöriger einer Minderheit zu sein«, sagt er erregt. »Sie begreifen nicht, wie groß die Unsicherheit und die Angst sind, die sie aushalten müssen, wie groß der Hass ist, der beim kleinsten Anlass hervorbrechen kann. Keine Mehrheitsgesellschaft hat je eine Minderheit verstanden. Ich verstehe die in der Türkei lebenden Griechen besser als Sie.«
      Den letzten Satz knallt er mir ins Gesicht wie eine Ohrfeige, und ich reagiere entsprechend sauer: »Das müssen Sie mir nicht erzählen! Ich weiß sehr wohl, wie und warum die Griechen aus Konstantinopel nach Griechenland gekommen sind!« In meiner Wut streiche ich den Namen »Istanbul« und nehme beim griechisch-orthodoxen »Konstantinopel« Zuflucht. »Sowohl beim Bevölkerungsaustausch im Jahr '22 als auch nach dem Septemberpogrom im Jahr '55, als auch bei der Zypernkrise im Jahr '64. Ich benötige keinen Geschichtsunterricht!«
      Er begreift, dass er den Bogen überspannt hat, und lenkt ein. Langsam fährt er an und gleitet auf die mittlere Fahrspur. »Verzeihen Sie mir, ich war aggressiv«, sagt er kurz darauf.
      »Keine Ursache, ich kann's verstehen.«
      »Erweisen Sie mir die Ehre, mit Ihrer Frau zum Essen zu uns nach Hause zu kommen?«
      Die Einladung kommt etwas plötzlich und stürzt mich in Verlegenheit, doch bald habe ich meine Fassung wiedergefunden. »Die Ehre ist ganz auf meiner Seite. Wir nehmen die Einladung gerne an.«
      Da der Frieden zwischen uns wiederhergestellt ist, komme ich auf die Ermittlungen zurück, um die Situation weiter zu entspannen. »Wie wollen wir weitermachen?«, frage ich. »Wo wollen wir ansetzen?«
      »Ich werde mich mit Erdemoglus Familie in Verbindung setzen. Vielleicht weiß da jemand etwas über diesen Lefteris. Und Sie kümmern sich darum, bei den Istanbuler Griechen etwas herauszukriegen.«
      »Einverstanden.«
      Als wir im Hotel ankommen, zieht er seine Visitenkarte heraus. »Meine Adresse steht auf der Karte. Ich wohne in Laleli. Mit dem Taxi finden Sie leicht hin. Wir erwarten Sie morgen Abend.«
      Vor dem Aussteigen reichen wir uns die Hand, wobei mir nicht klar ist, was dieser Handschlag

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