Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
besiegeln soll: ein Friedensabkommen oder nur einen Waffenstillstand.
* 21
Was für ein Sammelsurium! Frauen in bodenlangen Mänteln und mit Kopftüchern, die bis zu den Augenbrauen reichen, fröhlich-naive Touristinnen in Shorts, und Heerscharen von Männern, die einen mit Krawatte, die anderen in Sportjacken und wieder andere mit Bärten und Mützen, fliegende Händler und Ladenbesitzer, die einem hinterherlaufen und einen am Ärmel packen, und Waren, Waren, Waren überall: in Regalen, auf großen oder kleinen Stapeln, innerhalb und außerhalb der Geschäfte, verteilt in den Schaufenstern, aufgehäuft auf dem Straßenpflaster oder von den Wänden hängend - gebündelt wie an einem Schlüsselbund oder einzeln baumelnd wie Schlachtvieh.
Wir befinden uns auf dem Kapali Carsi, dem zentralen überdachten Basar von Istanbul, und ich befinde mich in einem Zustand völliger Orientierungslosigkeit. Ich sehe mich einem Mischmasch verschiedenster Läden gegenüber: drei Goldschmiede hintereinander und gleich darauf ein Geschäft mit Keramikwaren und Wandtellern mit arabischer Kalligraphie. Der Nachbarladen wiederum bietet baumwollene T-Shirts, Nachthemden und Kaftane feil, genug, um die gesamten nato-Streitkräfte in Bosnien und im Kosovo einzukleiden, während das darauffolgende Geschäft Glaswaren verkauft: Wasser-, Tee- und Weingläser sowie Karaffen aller Art, aber auch Glasperlen und Colliers.
Die Kourtidou hat uns hierhergeführt, da Adriani für Katerina Einkäufe tätigen möchte: Bademäntel, Nachtwäsche, Pantoffeln sowie lange Wollstrümpfe, die sie gerne zu Hause trägt oder unter den Jeans, wenn sie unterwegs ist. Als ich ihr sage, all das gebe es ja auch in Athen, kommt ihre Reaktion wie aus der Pistole geschossen, ganz im Stil einer Gegenattacke unserer Antiterrortruppe: »Aber nicht zu diesen Preisen, lieber Kostas! Wann warst du das letzte Mal einkaufen? Hier bietet sich sogar die Gelegenheit, Fanis eine Lederjacke zu kaufen - wir wollen ja nicht mit leeren Händen nach Hause kommen. Natürlich nur zu einem vernünftigen Preis«, ergänzt sie mit einer Miene, die besagt, dass das ja wohl selbstverständlich ist.
Mich bringt die Erwähnung des vernünftigen Preises allerdings ins Grübeln, weil die Vernunft bekanntermaßen eine subjektive Angelegenheit ist und was Adriani für vernünftig erachtet, in meiner Wahrnehmung exorbitant sein kann.
»Hier werden ja auch Ikonen verkauft«, wundert sich Adriani und bleibt vor einer Wand voller Heiliger Jungfrauen mit dem Kinde und milde blickender Jesusfiguren stehen.
»Finden Sie das verwunderlich?«, fragt die Kourtidou.
»Na, wenn ich sehe, wie in einem muslimischen Land Ikonen verkauft werden... Haben die denn keine Angst?«
»Wovor denn?«
Adriani blickt sie bedeutungsvoll an. »Nun ja, ich weiß nicht...«
Die Kourtidou bricht in Gelächter aus. »Sind Sie auf der Insel Prinkipos gewesen, Frau Charitou?«
»Klar, am dritten Tag der Gruppenreise.«
»Und sind Sie zum Georgskloster hochgewandert?«
»Leider nein«, erwidert Adriani bedauernd. »Die Hälfte der Reisegruppe war gar nicht begeistert, als die Rede darauf kam, ein paar Schritte zu Fuß zu machen. So haben wir uns mit der kleinen Inselrundfahrt begnügt.«
»Bei einem Besuch im Kloster hätten Sie sicherlich Muslime beim Gebet in der Kirche angetroffen. Als ich sie zum ersten Mal sah, fragte ich verwundert den Pfarrer, ob es denn anginge, dass Muslime in einer orthodoxen Kirche ihr Gebet verrichteten. >Mein Kind, sie suchen nach Erlösung von ihrer Armut<, erklärte er mir. >Mit dem Glauben ist es wie mit den Krankenhäusern. Wie man von Klinik zu Klinik pilgert, um wieder gesund zu werden, so pilgert man auch von Gotteshaus zu Gotteshaus und bittet um Erlösung von seiner Armut.< Auch diesen Händlern hier geht es darum, ein, zwei Groschen mehr zu verdienen, deshalb verkaufen sie Heilige Jungfrauen und sogar Buddhas.«
Wir sind an eine Wegkreuzung gelangt, und vor uns eröffnen sich drei Händlergassen. »Gehen wir links«, meint die Kourtidou. »Hier findet man hochwertige Kleidung und Stoffe.«
Ein Verkäufer, der uns griechisch sprechen hört, empfängt Adriani mit einem »Kyria, kyria, kalimera« und versucht bei ihr mit seinem gebrochenen Griechisch zu punkten, bis die Kourtidou ihn mit einem Schwall türkischer Ausdrücke überschüttet und er sich zurückzieht.
»Zeigen Sie niemals, dass Sie an etwas
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