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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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fürchte, mich in den verwinkelten Gassen ringsumher zu verlaufen. Der Spaziergang auf eigene Faust erübrigt sich, als mir Adriani bedeutet, in den Laden zu kommen.
      Sie empfängt mich mit einer Lederjacke und hält sie mir entgegen. »Hier, probier mal.«
      »Lass mal, ich habe nicht vor, so etwas zu kaufen«, sage ich verärgert.
      »Es ist ja nicht für dich, sondern für Fanis, ihr habt eine ähnliche Figur.« Widerstandslos ziehe ich sie an, während mir schmerzlich bewusst wird, welchen Fehler ich begangen habe: Ich hätte mich doch absetzen sollen.
      »Fanis ist ein wenig kräftiger gebaut. Er braucht eine Nummer größer«, sagt Adriani zur Kourtidou, während sie mir die Lederjacke wieder auszieht und mich in eine andere schlüpfen lässt.
      Ich denke mir, dass ich den Zustand der privilegierten Arbeitslosigkeit wesentlich früher als Despotopoulos erreicht habe, da mich die beiden Damen nun hemmungslos als Schaufensterpuppe missbrauchen. Daraus ist zu schließen, dass das Stadium der Demütigung auch vor der Rente schon eintreten kann. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft in Istanbul wünsche ich mir sehnlichst, in Athen zu sein, wo Adriani ihre Einkäufe alleine tätigt und mich in Ruhe lässt.
      Im Verlauf all dieser Überlegungen durchzuckt ein plötzlicher Geistesblitz mein Hirn, und schlagartig kommt mir eine Idee, wo ich vielleicht doch noch etwas über diesen Lefteris in Erfahrung bringen könnte: nicht bei den beiden Alten in Baloukli, sondern bei der Lazaridou, Maria Chambous Cousine. Wenn die Chambou sich jemandem anvertraut hat, dann der Lazaridou, da sie immer gut mit ihr auskam und offen mit ihr reden konnte. Das Gefühl von Verdrossenheit und Demütigung ist jäh verschwunden, und ich würde am liebsten gleich lospreschen, doch Adriani und die Kourtidou schweben in ganz anderen Sphären und geben herzlich wenig auf meine seelische Verfassung.
      »Wie viel kostet sie?«, fragt Adriani.
      Die Kourtidou überbringt dem Ladenbesitzer die Frage. Sie hört die Antwort, wirft ihm ein langgezogenes »Waaaas?« zu und sagt zu Adriani: »Kommen Sie, wir gehen.« Sie legt einen bühnenreifen Abgang hin, wobei sie der berühmten Sängerin Vembo in nichts nachsteht, und gezwungenermaßen folgen wir ihr.
      Der Ladenbesitzer eilt ihr hinterher, fragt die Kourtidou etwas, sie entgegnet, worauf der Geschäftsinhaber die Arme hebt und sich an den Kopf fasst, als hätte er etwas Haarsträubendes vernommen, und in seinen Laden zurückkehrt.
      »Wie viel wollte er denn?«, wundert sich Adriani.
      »Zweihundert Euro«, erwidert die Kourtidou.
      Adrianis Verwunderung wächst. »Aber das ist doch nicht viel. In Athen kriegst du so eine Lederjacke nicht unter dreihundert Euro.«
      »Vergessen Sie Athen, wir sind hier in Istanbul. Ich habe ihm gesagt, für hundert nehmen wir sie.«
      Adriani starrt sie sprachlos an. »Also wissen Sie«, erklärt sie dann der Kourtidou leicht gereizt, »sie gefällt mir, und ich möchte mir das Schnäppchen nicht entgehen lassen.«
      »Keine Sorge, das entgeht Ihnen nicht. Wir machen jetzt noch ein paar Schritte, und Sie werden sehen, wie er uns hinterherläuft.«
      Sobald wir die Steintreppe erreichen, wende ich mich um und sehe, wie der Ladenbesitzer auf uns zuschnellt. Er rechtfertigt sich kurz vor der Kourtidou, sie entgegnet mit einem kategorischen »Yok olmaz« - was auch immer das heißt - und inszeniert einen erneuten Abgang. Der Geschäftsinhaber scheint ihr darauf ein letztes Angebot zu unterbreiten, begleitet von einer Handbewegung, die »bis hierher, zum Teufel noch mal, und nicht weiter« bedeuten könnte.
      »Er geht auf hundertfünfzig Euro runter, aber lassen Sie ihn nicht merken, dass Sie mit dem Preis zufrieden sind«, vermeldet die Kourtidou.
      »Warum sollen wir unsere Zufriedenheit nicht zeigen? Wollen Sie ihn noch mehr herunterhandeln?«, frage ich sie.
      »Nein, aber das wäre ungeschickt. Dann merkt er, dass wir ihm etwas vorgespielt haben, und das wäre eine Beleidigung-«
      So läuft das hier also, sage ich mir. Alles, was man in den letzten Jahren in den Zeitungen über Marktstrategien und Zielgruppenforschung gelernt hat, kann man demnach in dieser Stadt getrost wieder vergessen. Noch immer funktioniert alles nach dem bewährten Rezept des orientalischen Basars, wo sich beide Seiten die Hände reiben, weil beide denken, den anderen reingelegt zu haben.
      »Das Feilschen hat mir meine Mutter

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