Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
ihr gemeinsam auszusuchen?«
»Hab ich nicht, aber du sagst deiner Mutter einfach, du hättest ein auf die Hälfte reduziertes Sonderangebot gefunden. Es sei das letzte Stück, und wenn du es nicht nimmst, sei das Schnäppchen weg.«
Eine kurze Stille folgt. »Papa, findest du es richtig, dass wir uns gegen Mama verschwören und hinter ihrem Rücken paktieren?«
»Nein, es ist absolut nicht korrekt, und ich schäme mich dafür. Aber gegen deine Mutter kann man nur mit gezinkten Karten gewinnen.«
Sie lacht auf. »In Ordnung, du hast mich überzeugt.«
Dieses Gespräch fand am Morgen nach dem Frühstück statt. Danach ging ich mit Adriani ins Reisebüro, um die Rückflugtickets zu reservieren. Es gab noch freie Plätze für den Samstagabend-Flug, doch Adriani wies diese Möglichkeit von sich.
»Nachts reise ich nicht. Ich will aus dem Fenster schauen, die Wolken und die Erde sehen und nicht in die pechschwarze Finsternis starren.«
Dummerweise waren die beiden Sonntagsflüge ausgebucht. Als ich ihr sagte, dass wir so bis Montag warten müssten und einen ganzen Tag verlören, sah sie mich schief an.
»Deinetwegen haben wir eine ganze Woche verloren, und jetzt störst du dich an dem einen Tag, den wir meinetwegen länger bleiben müssen?«
Wie gesagt, gegen Adriani kann man nur mit gezinkten Karten gewinnen. Ich meldete mich bei Murat, um ihm den Termin unserer Abreise bekanntzugeben und mich nach Neuigkeiten zu erkundigen, doch er war noch nicht viel weitergekommen. Und so sitzen wir nun an der Rezeption und warten auf Theodossis Kourtidis.
Ich weiß nicht, ob er uns - inmitten des Kommens und Gehens in der Lobby - an unserer erwartungsvollen Körperhaltung oder an der Schachtel Süßigkeiten auf Adrianis Schoß erkannt hat. Jedenfalls betritt er um Punkt acht das Hotel und steuert zielstrebig auf uns zu.
»Wenn ich nicht irre, sind Sie Herr und Frau Charitos«, sagt er. »Theodossis Kourtidis.«
Er ist an die sechzig, beleibt, Anzugträger und glatzköpfig. Sein noch verbliebenes schütteres Haar schart sich um den Schläfenbereich. Er vermittelt den Eindruck eines Mannes, der sein Leben bislang in vollen Zügen genossen hat, und zwar nicht nur in seiner Jugend, sondern auch und noch mehr im Laufe der Jahre.
»Wir wohnen in Maska, nicht weit von hier«, sagt er, als wir in seinen bmw steigen. »Das liegt auf dem Hügel hinter dem Dolmabahge-Palast.«
Das Appartement ist riesig. Aus einem geräumigen Flur tritt man in zwei ineinander übergehende Räume, Salon und Speisezimmer, deren Fläche allein in etwa einer Athener Dreizimmerwohnung von siebzig Quadratmetern entspricht. Adriani blickt sich beeindruckt um. Kann sein, dass die Konstantinopler Griechen von vielen tragischen Ereignissen heimgesucht wurden, doch an Komfort mangelt es ihnen nicht. Die Mouratoglou hatte es einmal so ausgedrückt: Wer von Tragödien verschont bleiben wollte, verließ die Stadt, wer sich für den Wohlstand entschied, der blieb.
Die Kourtidou empfängt uns mit einem »Herzlich willkommen!« und einem breiten Lächeln. Sie nimmt das Gastgeschenk mit dem üblichen »Aber, das war doch nicht nötig!« entgegen und reicht uns umgehend zur Begrüßungsrunde weiter. Der Salon ist prunkvoller möbliert als das Wohnzimmer der Familie Tayfur. Er ist genauso geschmackvoll, doch hier blitzt das Tafelsilber aus dem Vitrinenschrank, und an den Rückenlehnen und Tischbeinen leuchtet das Blattgold.
Die Kourtidou stellt uns einem Ehepaar vor, das beide Sofaenden besetzt und etwa derselben Altersgruppe angehört wie die Gastgeber. »Herr und Frau Meimaroglou.« Wir wechseln ein »Sehr erfreut«, und die Kourtidou führt uns zu einem jungen Paar, das noch keine dreißig ist.
»Und hier unsere Frischvermählten«, sagt sie stolz. »Eleni und Charis Dikmen. Eleni und Charis sind Freunde meiner Tochter Marika. Sie hätte so gerne an der Hochzeit teilgenommen, doch leider konnte sie nicht.« Eleni erhebt sich und schüttelt mir herzlich die Hand, und Charis' »Angenehm« hört sich an, als hätte Murat beschlossen, griechisch zu sprechen.
Die letzte Station in der Begrüßungsrunde bildet eine Mittfünfzigerin, die allein in einem Polstersessel sitzt und raucht. »Nur keine Umstände mit der Vorstellung, liebe Aleka. Das übernehme ich selbst«, sagt sie zur Kourtidou und wendet sich dann Adriani und mir zu.
»Ioanna Saratsoglou, Lehrerin an der
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