Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
sympathisch ist, und zum Teil, weil die übrigen Gäste weiterhin ihre Nabelschau betreiben und ich mir dabei überflüssig vorkomme.
»Auch das ist Teil des Kampfes«, meint die Saratsoglou.
Ich denke sofort an das Naheliegende. »Des Überlebenskampfes?«
»Nun, Teil eines Kampfes, der nur mit einer Niederlage enden kann, Herr Kommissar. Deshalb tun wir, was in unserer Macht steht, damit er nicht endet. Denn solange er fortdauert, ist die Niederlage noch nicht Gewissheit.« Plötzlich wird ihr bewusst, dass sie das Gespräch damit abgewürgt hat, und sie bemüht sich, das Thema zu wechseln. »Aber jetzt habe ich Ihnen mit meinen Angelegenheiten die Stimmung verdorben. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Als Rentnerin bin ich noch Neuling.« Auf einmal erinnere ich mich an Despotopoulos, der mir erzählt hat, das Rentnerdasein sei ein Zustand privilegierter Arbeitslosigkeit.
»Und warum sind Sie hier? Eine Städtereise?«, fragt sie mich.
»Anfänglich ja, aber die Dinge haben sich anders entwickelt.«
»Unerfreulich, wollen Sie sagen?«
»Nein, nur wurde die Urlaubsreise zu einer Dienstreise.« Ich weiß auch nicht, warum ich mit der Saratsoglou plötzlich so vertraut rede. Vielleicht deshalb, weil sie sich zuerst mir gegenüber geöffnet und mir so ihr Vertrauen gezeigt hat. Vielleicht, weil ich mich verunsichert fühle, da Istanbul nicht wie Athen, die Istanbuler Minderheit nicht wie die Griechen in Griechenland und Murat nicht wie Gikas ist. Vielleicht auch deshalb, weil sie wie verrückt pafft und mich an gute alte Zeiten erinnert, die jedoch unwiederbringlich dahin sind, was unter anderem an der Tatsache abzulesen ist, dass meine Tochter meinen Kardiologen heiratet.
»Wir sind auf der Suche nach einer Frau, einer gewissen Maria Chambou«, erzähle ich der Saratsoglou. »Sie ist aus Drama hierhergekommen, augenscheinlich schwer krank, und will hier einen Schlussstrich unter ihr Leben ziehen. Zunächst einmal hat sie in Drama eine offene Rechnung mit ihrem Bruder beglichen und ihn vergiftet. Hier hat sie mit einer Cousine, einem Türken und einer türkischen Familie abgerechnet.«
»Sie hat also erst ihren Bruder getötet und dann hier weitergemordet?«, fragt sie, und ihr Blick spiegelt zwei Gefühle wider: Fassungslosigkeit und Schrecken.
»Nun, die einen tötet sie, die anderen belohnt sie für das Gute, das sie ihr erwiesen haben.« Und ich erzähle ihr die Geschichte, die gestern die türkische Nachbarin von Minas und Zoe berichtet hat.
Sie hört mir bis zum Schluss aufmerksam zu. »Das hat Ihnen die Nachbarin ganz richtig erzählt«, meint sie, als ich geendet habe. »Genauso hat es sich damals zugetragen. Zoe hatte jedes Mal Tränen in den Augen, wenn der Name von Melek Kaplan fiel.«
Verdattert und sprachlos starre ich sie an. »Kannten Sie die Familie Dagdelen?«, frage ich.
Sie lacht auf und deutet auf die beiden Frischvermählten. »Sehen Sie das junge Paar?«, meint sie zu mir. »Sie sind zusammen aufgewachsen. Unsere Kinder wachsen wie Geschwister auf und werden schließlich Ehepaare, und Sie fragen mich, ob ich Zoe und Minas kenne?« Die Saratsoglou sieht meine Ratlosigkeit und lächelt. »Zoe war meine Tante mütterlicherseits«, erklärt sie. »Aber ein Detail kannte die Türkin nicht. Es waren nicht nur die Teppiche und der Schmuck. Minas besaß auch ein Haus, das er gerade noch auf seine Schwester übertragen konnte, bevor die Eintreibung der Vermögensabgabe begann und das Fallbeil auf ihn niedersauste. Nachdem sie alles verloren hatten, zogen sie in dieses Haus ein, und Minas fing an, nach und nach seine Existenz wiederaufzubauen. Doch dann kamen die Septemberkrawalle, und von diesem Schlag hat er sich nicht mehr erholt. Er hat alles verkauft und ist fortgegangen, aber nicht nach Griechenland, sondern nach Kanada. All das weiß ich von meiner Mutter, die bis zu ihrem Tod mit Zoe korrespondiert hat.«
»Und was geschah mit dem Haus, das auf die Schwester überschrieben wurde?«
»Das hat er nicht verkauft, sondern ihr überlassen. Aber auch sie ist schon vor Jahren gestorben. Minas und Zoe waren kinderlos. Ich nehme an, dass ihr Erbe an die nächsten Verwandten gefallen ist. Wer weiß, vielleicht bin auch ich darunter«, fügt sie amüsiert hinzu. »Aber würde ich das Erbe annehmen? Das Haus wird eine Ruine sein, und man bräuchte eine Stange Geld, um es wieder herzurichten.«
»Wissen Sie, wo das Haus
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