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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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sei. Ihre Tochter blickt sie besorgt an, doch Emine winkt beschwichtigend ab.
      »Der Gerichtsvollzieher hat sie am Vortag der Versteigerung benachrichtigt. An jenem Morgen war Madame Zoe kaum zu beruhigen. >Die können mich auch gleich mit verkaufen, vielleicht tilgt das unsere Schulden<, rief sie. Monsieur Minas war zwar zu Hause geblieben, doch er war außerstande, seiner Frau Trost zu spenden. Wie ein Geist schlich er durch die Wohnung. Irgendwann stürmte meine Mutter zu ihnen hinein und begann damit, zwei große Teppiche einzurollen, den einen im Salon und den anderen im Esszimmer. Madame Zoe sah ihr dabei zu und meinte: >Nimm sie mit, Melek Hamm, nimm sie mit! Besser du als fremde Leute!< Meine Mutter ließ die Teppiche sinken, ging zu ihr hin und schüttelte sie, damit sie zu sich komme. >Zoe, diese beiden Teppiche sind handgeknüpfte Exemplare aus Isparta. Die sind ein kleines Vermögen wert. Ich nehme sie mit und verstecke sie für euch. Und auch deinen Schmuck. Dann habt ihr wenigstens etwas für den Neuanfang. Damit sie euch nicht alles wegnehmen!«< Emine wendet sich an ihre Tochter. »Dein Großvater war außer Haus gegangen, weil er es nicht ertragen konnte«, meint sie. »>Ich halte das nicht aus<, sagte er und ging fort.« Diesmal wendet sie sich an Murat und mich. »So war das damals. Und das Recht, sich aus dem Staub zu machen, hatte nur der Mann. Die Frauen konnten sich nicht einfach so davonstehlen.« Sie atmet tief durch und fährt fort: »Als der Gerichtsvollzieher mit den Interessenten ankam, nahm Mama Zoe und Minas mit hinüber in unsere Wohnung, damit sie Jas Ganze nicht mit ansehen mussten. Wenn ich mich nicht irre, war nur Maria bei der Versteigerung dabei. Ich hatte mich in eine Ecke gekauert und beobachtete das Geschehen voller Angst, ohne es wirklich zu begreifen. Madame Zoe weinte lautlos in sich hinein, Monsieur Minas starrte reglos auf den Fußboden. Und meine Mutter lief die ganze Zeit auf und ab und murmelte immer wieder >So eine Schande!< und >So eine Sünde!<«
      Ich höre, wie sie wiederholt die Wörter »ayip« und »günah« verwendet, kann jedoch die Bedeutung nicht eindeutig zuordnen. Was auch egal ist, denn die Kombination der beiden ergibt den Sinn, der zählt.
      »Als der Gerichtsvollzieher ein paar Stunden später mit den Käufern gegangen war, gingen Madame Zoe und Monsieur Minas in ihre Wohnung hinüber, um nachzusehen, was man ihnen übriggelassen hatte«, fährt Emine fort. »Es waren noch ein Holztisch, vier Stühle, das Doppelbett und die kahlen Wände da. Zoe sagte zu ihrem Mann: >Sie haben uns nichts weggenommen, wir sind einfach umgezogen, nicht wahr, Minas? Einfach umgezogen.< Dann ist sie zusammengebrochen.« Sie wendet sich erneut an ihre Tochter: »Deine Großmutter war eine sehr fürsorgliche Frau. Sie hatte Kölnischwasser dabei und versuchte, Zoe wieder zu sich zu bringen. Sie schickte mich ein paar Häuser weiter zu einem griechischen Arzt. Der hat Madame Zoe dann eine Beruhigungsspritze gegeben.«
      Sie hält inne und greift nach ihrem Stock, als sei sie müde und bräuchte eine Stütze. Dann sagt sie zu Murat und mir:
      »Zu alledem hat Maria damals kein einziges Wort gesagt. Sie schlüpfte in die Küche und begann Kaffee zu kochen, für meine Mutter, Monsieur Minas und den Arzt, die sich miteinander unterhielten. Und dann hat sie die Ärmel hochgekrempelt und begonnen, eine Käsepitta zuzubereiten, damit wir etwas im Magen hatten.«
      Emine hat ihre Erzählung beendet und holt tief Luft. Murat blickt mich an und schüttelt den Kopf. Als wollte er mir in Erinnerung rufen, was er mir während unseres Wortgefechts gesagt hatte, nämlich, wie schlimm es sei, einer Minderheit anzugehören.
      »It was a terrible time«, bemerkt Selma. »Es war eine schreckliche Zeit. Man erinnert sich immer nur an die großen Kriege und nicht an den Kleinkrieg, der gleichzeitig wütete.«
      »Darf ich Sie auch etwas fragen?«, wende ich mich mit Hilfe ihrer Tochter an Emine. »Kam Maria bei ihrem Besuch mit leeren Händen oder hat sie Ihnen etwas mitgebracht?«
      »Sie hatte eine Käsepitta dabei«, entgegnet sie. »>Für den Seelenfrieden deiner Mutter, die ein guter Mensch war<, meinte sie zu mir. >Und damit du siehst, dass ich immer noch gute Käsepittas mache.< Und ich muss sagen, dass der Kuchen sogar noch leckerer schmeckte als damals, als sie noch jung war. Gesegnet seien ihre Hände!« Sie hält kurz inne und fügt dann zögernd hinzu:

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