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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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liegt?«
      »In Psomathia.«
      »Wie heißt das Viertel auf Türkisch?«, frage ich, denn inzwischen habe ich begriffen, dass die Istanbuler Griechen und die Türken verschiedene Namen für dieselben Wohngegenden verwenden.
      »Samatya.«
      »Besteht die Möglichkeit, dass Maria von diesem Haus wusste?«
      »Mit großer Wahrscheinlichkeit. Es waren turbulente Zeiten damals, und die Leute haben unter Weinen und Wehklagen von ihren Sorgen erzählt.«
      Und mit einem Mal wird offenbar, wo sich Maria versteckt haben könnte: im verlassenen Haus von Minas' Schwester. Doch anstelle von Erleichterung und Freude beschert mir die Entdeckung ein neues Dilemma. Soll ich Murat davon erzählen oder mich taub, blind und unwissend stellen?
      Wenn ich nichts sage, steige ich am Montag mit Adriani ins Flugzeug und bin rechtzeitig zur Hochzeit meiner Tochter in Athen. Wenn ich etwas sage, muss ich weiterermitteln, wobei ich nicht weiß, wohin das führen wird.
      Das Dilemma quält mich auch im Wagen des Ehepaars Dikmen, das uns ins Hotel fährt. Schließlich siegt der anständige Trottel in mir, und ich rufe Murat an, als Adriani im Bad ist. Denn wenn sie mich mit dem Telefonhörer sieht, fällt bei ihr der Groschen.
      Ich höre Murats verschlafenes »Evet« am anderen Ende.
      »Did I wake you?«, frage ich.
      »Sie haben mich aufgeweckt, aber ich nehme an, es handelt sich um etwas Wichtiges.«
      Ich erzähle ihm die ganze Geschichte, die ich von der Saratsoglou erfahren habe. »Kann sein, dass sich Maria im Haus von Minas Dagdelens Schwester verborgen hält.«
      »Morgen um acht Uhr bin ich im Hotel«, sagt er.
      Als Adriani aus dem Bad kommt, habe ich das Gespräch bereits beendet. Sie schläft den Schlaf des Gerechten, während mich die Alpträume des Sünders plagen.
     
     

* 28
     
    Mir liegt ein Stein im Magen, so groß wie einer der Mühlsteine, die man sich früher, wenn man lebensmüde war, um den Hals hängte, um sich zu ertränken. Mein Magen ist jedenfalls seit dem gestrigen Gelage im Wohn- und Speisezimmer der Familie Kourtidis in den Streik getreten. Die Folge war stundenlanges Magendrücken, wobei ich vor mich hin stöhnte und Adriani sich beschwerte, dass ich sie nicht schlafen ließ.
      »Was war das auch für eine Gier, Herr im Himmel!«, rief sie empört irgendwann im Morgengrauen. »Bei Istanbuler Griechen nascht man vom Teller und haut nicht rein wie auf dem Dorf in Griechenland.«
      »Woher willst du eigentlich wissen, wie man in Istanbul isst? Bist du vielleicht in Tatavla, Modi, Mega Revma oder auf den Prinzeninseln zur Welt gekommen, ohne dass ich was davon weiß?« Ich wundere mich selbst, wie mir auf Anhieb all diese Namen von Istanbuler Wohnvierteln und Vororten in den Sinn kommen. Eine gezielte Wut im Bauch hilft dem Gedächtnis eben mehr auf die Sprünge als eine diffuse Gereiztheit, die eher zur Lähmung des Erinnerungsvermögens führt.
      Nun sitze ich neben Murat und gähne an jeder Ampel, während er mir heimliche Blicke zuwirft.
      »Habe ich Sie zu früh geweckt?«, fragt er dann.
      »Nein, Sie haben mich nicht geweckt, weil ich die ganze Nacht kein Auge zugetan habe. Wir waren gestern Abend zum Essen eingeladen, und ich habe etwas über die Stränge geschlagen.«
      Er lacht auf. »Warum, glauben Sie, bestehe ich auf deutschem Essen? Die deutsche Küche verführt nicht zur Völlerei.«
      Der Wagen fährt die Küste entlang, die bekannte Strecke Richtung Flughafen. Es ist nicht schwer, sich in Istanbul zurechtzufinden, solange man auf den Hauptverkehrsadern bleibt. Kompliziert wird es erst, wenn man von den breiten Boulevards in die engen Gassen gerät. Dort wird's kritisch, dort hilft weder Stadtplan noch Kompass weiter.
      Nach einer Weile biegt Murat nach rechts in eine Straße ein, die von der Küstenstraße durch ein Grundstück mit hohen Bäumen getrennt ist, eine Art Erholungsgelände oder Spielplatz. Die Häuser auf der anderen Straßenseite sind jedes in einer anderen Farbe gestrichen. Davon werde ich wieder munter, nachdem mich der monotone Anblick des Meeres von der Küstenstraße aus eingelullt hat. Das Seltsame an den Istanbuler Armeleutevierteln ist, dass sie zwar billig und schnell hochgezogen, aber bunt sind, und nicht wie bei uns billig, schnell hochgezogen und von langweiligem Grau.
      Kurze Zeit später sind wir vor einem großen Krankenhaus angelangt. Linkerhand führt eine Straße mit wenig geschmackvollen

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