Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman
hatte vorgeschlagen, wir sollten uns gleich hier treffen, weil er vorher noch ein paar Sachen zu erledigen hatte. ich weiß noch, wie er das murmelte und dabei mit den Lippen an meinem Hals abwärts glitt und noch weiter hinunter, sodass meine Haut prickelte und ich die Hüften hob. Super, hatte ich gedacht, dann habe ich den Nachmittag frei, um mir etwas zum Anziehen zu kaufen.
Mittlerweile aber fragte ich mich, ob Marc an jenem Nachmittag vor vielen, vielen Jahren wohl mit ihr zusammen gewesen war. Komisch, dass ich damals gar nicht auf die Idee gekommen war, dass eine andere im Spiel sein könnte. ich hatte ihm blind vertraut.
Es war dieser Ausdruck in seinen Augen gewesen.
Ich hatte mir etwas Gewagtes ausgesucht - ein tief ausgeschnittenes, knapp sitzendes schwarzes Kleid, so knapp, dass es unbequem war, aber an dem Tag hatte die Leidenschaft mir beim Einkaufen Selbstvertrauen verliehen.
Als ich jedoch jetzt den Raum nach seinem Gesicht absuchte, wäre ich vor Verlegenheit am liebsten im Erdboden versunken. Ein paar Typen, die an der Tür standen, unterbrachen ihr Gespräch und musterten mich von Kopf bis Fuß. Ich zerrte an meinem Kleid und wünschte, ich hätte Jeans angezogen. Der Größere der beiden, dem das strähnige Haar über die Augen hing, kam zu mir herüber und beugte sich über mich. Wahrscheinlich konnte er aus der Vogelperspektive direkt in meinen Ausschnitt sehen. Ich streckte die Hand aus.
»Bonsoir. Je suis Annie.«
Grinsend ergriff er meine Hand, während sein Kumpel hinter ihm süffisant lächelte. »Bonsoir! Je suis Gilles.«
Genau in dem Moment, als Gilles näher kam, drehte jemand die Musik lauter, daher konnte ich nicht hören, was er sonst noch sagte. Mit einem Lächeln zuckte ich die Achseln. Seine Lippen streiften mein Ohr, und mit der Hand berührte er meine Schulter. Ich hatte nicht bemerkt, dass er die Finger unter den Riemen meiner Schultertasche geschoben hatte. Sie plumpste auf den Boden.
»Viens danser.«
Gilles ließ seine Hand bis zu meiner hinunterwandern und zog mich mit schweißnassem Griff in den Raum hinein. Am liebsten hätte ich ihn abgewehrt. Non, merci, mir sei jetzt gerade nicht danach, eigentlich sei es mir ganz recht, einfach mit einem Drink ein bisschen im Hintergrund herumzustehen, bis ich mich einigermaßen orientiert hatte. ich wollte wenigstens mein Kleid noch mal zurechtzupfen. Außerdem war mir plötzlich ein Gedanke gekommen: Wenn das hier nun gar nicht die richtige Party war?
Beim Tanzen kam er mir ganz nah, zu nah, während ich versuchte, einen Blick über die Schulter zu werfen, um meine Tasche zu finden.
Und da sah ich Marc.
Mit verschränkten Armen lehnte er gegenüber im Türrahmen und lächelte mir zu. Mein Herz machte diesen albernen Hopser, den es damals immer machte.
»Hilfe!«, hauchte ich.
Marc rührte sich nicht. Doch ich wusste jetzt wenigstens, dass ich auf der richtigen Party gelandet war, daher machte es mir alles nicht allzu viel aus.
Er schaute mir zu - mit diesem typischen Blick. Ich tanzte für ihn.
14
S elbst in den besten Zeiten ist es eine ganz schöne Quälerei, wenn man nach einer Pause wieder zur Arbeit muss, zurück in den alten Trott. Man fährt Weg, lebt in einem anderen Rhythmus, in einer anderen Welt, und deshalb kann einen am ersten Arbeitstag bereits eine Kleinigkeit umhauen.
Bei mir sollte dazu an diesem Montagmorgen nicht viel mehr nötig sein als ein »Bonjour«.
Beattie und ich nahmen zusammen die Metro. Ich fühlte mich merkwürdig fern von mir selbst, als wäre ich eine Fliege auf den weißen Kacheln des U-Bahn-Tunnels, während ich an der Station Porte de Bagnolet auf dem Bahnsteig stand. Ich beobachtete mich selbst, wie ich mich als Teil der Menge bewegte, in dem überfüllten Wagen einen Sitzplatz ergatterte und zwischen Franzosen mit mürrischen Gesichtern saß. Wir wurden sachte vor und zurück geschaukelt, wenn der Zug, surrend wie eine Salatschleuder, in die Bahnhöfe hinein- und wieder herausfuhr. Beattie hatte mir gegenüber einen Platz gefunden und äffte eine Frau mit dünnen Augenbrauen und mageren Knien nach, die mit einem Chihuahua in der Handtasche rechts neben ihr saß. Lächelnd schüttelte ich den Kopf. ich hatte vergessen, wie beattie früher war - wie sie die Leute verulkte.
Sie grinste zurück. »Also, wer ist er?«, fragte sie, während sie schon ihre Sachen zusammenraffte, denn an der nächsten Station mussten wir aussteigen. Wie sollte ich das bloß alles
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