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Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman

Titel: Kostbar wie ein Tag mit dir - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Fraser
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unser Gemurmel hinter der Wand, denn sie drehte sich genau in dem Moment um, als Marc hinter mir in der Tür erschien.
    »Guten Morgen, Cowboy!« Beattie lächelte. Mir fiel auf, wie ihr Gesicht strahlte, ohne die geringste Spur von Make-up, wie klar ihre weiße Haut und wie grün ihre Augen waren. »Tee?«
    Verlegen erwiderte Marc ihr Lächeln, schweigend.
    »Entschuldige, Beattie.« Ich dirigierte ihn an der Küche vorbei und durch den Flur zur Wohnungstür. »Wir sind im Aufbruch!«
    Wir gingen in Richtung Père Lachaise, obwohl keiner von uns beiden das vorgeschlagen hatte. Früher waren wir an faulen Sonntagen dort hinaufgewandert, nachdem wir uns so spät aus dem Bett aufgerappelt hatten, dass manchmal der Nachmittag schon in den Abend überging und das Wochenende praktisch vorüber war - viel zu schnell.
    Jetzt aber wollte ich bloß unter einem Baum sitzen, irgendwo im Grünen, wo es ruhig war. Lherm war weit Weg.
    Wir standen vor einem kleinen Tor, das mit wildem Wein berankt war. Es war ein Seiteneingang zum Friedhof, der in diesem Teil von Paris das Parkähnlichste war, was es gab. Als Marc nach unten griff, um den Riegel anzuheben und das Tor aufzuschieben, fiel mir ein, wie er früher an genau derselben Stelle gestanden, das Tor aufgehalten und gewartet hatte, bis ich hindurchgegangen war. Ich hatte dann immer den ersten Vers von Ludwig Bemelmans' Geschichte von Madeline zitiert: »In einem alten Haus in Paris, bewachsen mit Wein ...« Ich fragte mich, ob Marc sich auch daran erinnerte, obwohl ich glaube, dass er nie richtig verstanden hatte, warum ich das immer sagte oder was die Worte eigentlich bedeuteten.
    Das Tor quietschte, als er es aufschob. »... wohnten zwölf kleine Mädelein.« Ich wartete, denn ich wünschte mir, dass Marc das Gleiche dachte. Da schaute er mich an, trat lächelnd einen Schritt zurück und wartete mit der Hand am geöffneten Tor. Doch ich sagte die Worte nicht. Warum sollte ich? Es war nicht mehr wie früher. Marc hatte mich belogen.
    Als ich an ihm vorüberging, legte er mir die freie Hand in den Nacken, und ich spürte, wie er mit den Lippen mein Ohr streifte und mich dann auf die Wange küsste. Vielleicht war es ihm doch noch eingefallen. Ich wünschte, ich hätte die Verse doch gesprochen, aber jetzt war es zu spät - wir waren schon durchs Tor gegangen. Klappernd fiel es ins Schloss.
    Unter den kahlen, gewundenen Ästen der großen Ahornbäume, die sich wie dünne Riesenfinger über unseren Köpfen spreizten, wanderten wir den gepflasterten Weg entlang. Ein Stück weiter hatten wir immer auf einer Steinbank gesessen, aber ich konnte mich nicht mehr genau erinnern, wo.
    Plötzlich trat Marc vor mich. Er stellte sich mir in den Weg. »Hier.«
    Da stand sie. Seltsam, denn ich hatte damit gerechnet, dass sie überwuchert oder gegen eine moderne, festgeschraubte Bank aus Metall ausgetauscht worden war. Ich hatte erwartet, dass der alte, verwitterte Stein verschwunden war genau wie wir. Aber nein, die Bank stand noch da, als wären wir gar nicht fort gewesen.
    Wir ließen uns auf der steinernen Sitzfläche nieder. Marc trat gegen den Boden, sodass sich eine Wolke aus feinem Staub auf meine Schuhe senkte. »Sie sagt, sie will ausziehen, dès qu'elle peut, sobald sie eine Wohnung gefunden hat.«
    Ich hielt die Hände mit gespreizten Fingern hoch wie einen Schild. Vor meinem geistigen Auge stand Frédérique in Marcs Wohnzimmer, immer noch in diesem T-Shirt. »Erzähl mir nichts! Ich will es wirklich nicht hören.«
    Doch ich wollte es sehr wohl hören, und Marc wusste das. Er lachte leise und schüttelte den Kopf. Inzwischen kannte er mich einfach zu gut. »Tu sais, Annie, wenn man darüber nachdenkt, ist das hier wirklich albern.«
    Ich schaute zu, wie er sich mit den Fingern durchs Haar fuhr, und fragte mich, ob er ihr gestern Abend, als er versucht hatte, sie zu beruhigen, wohl genauso durchs Haar gestrichen hatte - durch ihre Locken.
    Vielleicht hatte Marc meine Gedanken gelesen. »Sie ist nicht mehr wichtig. Sie existiert doch in unserem Leben gar nicht mehr. C'est le passé.«
    Das Herz klopfte mir bis zum Hals. » Nicht mehr?« Diese beiden Wörter verliehen ihr Bedeutung; sie zeugten von einer Existenz, von der ich nie gewusst hatte. »Wie lange ist das denn noch weitergegangen, nachdem du mich kennengelernt hattest?«
    Marc zuckte die Achseln. »Ach, Annie, ich weiß es nicht mehr.«
    Doch das waren nicht die Worte, die ich hören wollte. Ich wünschte mir, dass er es

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