Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
Vom Netzwerk:
ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, ahnen sie nicht einmal.
    Vielleicht hat sie es ja doch geahnt. Als sie mich das erste Mal hier erblickt hat, ist sie kreidebleich geworden und hat auf dem Absatz kehrtgemacht. Da war mir klar, wer siegen würde. Wie in der Schlacht, wenn der Feind zurückweicht.
    Aber die andere, Nadja, die weicht nicht zurück, die rückt vor. Siegen werden wir trotzdem. Wir warten auf den richtigen Tag. Oder die richtige Nacht.
    In Liebe,
    Chris

NEUNZEHN
    Die Nacht von Donnerstag auf Freitag war die erste Nacht ohne Nogger. Goethe zog wieder am Fußende des Doppelbettes ein und schmiegte sich an Pilars Füße. Auf der Bettdecke neben ihr lag der Stockschirm, den sie vor Jahren auf einem andalusischen Markt gekauft hatte. Bei Regen taugte er nicht mehr viel, aber er verfügte über eine speerartige Spitze, die in einer Gasse von Granada bereits einen Dieb in die Flucht geschlagen hatte.
    Nachdem sie die letzte Nacht einigermaßen gut geschlafen hatte, war Pilar nun voller Mut und ließ ihre Ängste nicht hochkommen. Kurz nach elf Uhr sah sie den Streifenwagen der Polizei am Haus vorbeifahren. Sie wusste, dass er die Runde durch das Wohnviertel im Laufe der Nacht noch einige Male wiederholen würde. Gegen zwölf rief Richard aus Brüssel an.
    »Na, wie geht’s, Liebes? Alles in Ordnung mit dem neuen Türschloss?«
    »Mir ist eingefallen, dass der Keller nicht einbruchsicher ist. Das wollten wir schon vor zehn Jahren ändern.«
    »Man muss schmal wie ein Aal sein, um durch eins der Kellerfenster zu passen.«
    »Mit einem Bauch wie deinem geht es nicht, aber –«
    »Die Gitter sind vom Efeu überwuchert«, fuhr er fort. »Ich wäre dem Einbrecher dankbar, wenn er den wegschneiden würde.«
    »Das Schnippeln werde ich dann hoffentlich hören.«
    »Vor allem dauert es. Genug Zeit, um die Polizei anzurufen.«
    Pilar lächelte die Bettdecke an. Richy hatte es wieder einmal geschafft, ihre Sorgen zu lindern. Sie legte das Telefon auf den Nachttisch, schob den Schirm ein Stück von sich weg und las den angefangenen Kriminalroman zu Ende. Als der letzte Absatz vor ihren Augen verschwamm, knipste sie die Nachttischlampe aus.
    Schwarze Dunkelheit um sie herum. Aus alter Gewohnheit hatte sie die Rollläden wieder ganz heruntergelassen. Das Flurlicht hatte sie eigentlich brennen lassen wollen, es aber in Gedanken versunken ausgeschaltet, bevor sie sich hingelegt hatte. Sollte sie noch mal aufstehen? Sie starrte eine Weile ins Dunkel, fand diesen Zustand hoffnungslos und knipste die Nachttischlampe wieder an.
    Stilles Qigong, erinnerte sie sich. Die Übungen konnten die Energie von Körper und Geist stärken. In dem Kurs, den sie besucht hatte, war sie jedes Mal nach wenigen Minuten eingeschlafen. Was damals peinlich gewesen war, weil sie laut geschnarcht hatte, wäre jetzt genau das Richtige. Unteres Dantian … Dammpunkt … Steißbeinpunkt … Lebenstor … Ganz nach innen schauen, durch nichts Äußeres ablenken lassen … Fühlte sich gut an … Der Körper war licht und leicht.
    Ihr fiel ein, dass sie Lukas noch einmal anrufen musste. Die Sache mit Bobbi kam ihr merkwürdig vor. Katie, die in letzter Zeit so viel Wert auf Äußeres legte, konnte mit diesem Bobbi nichts im Sinn haben. Tommy war hübscher, kam aber als Katies Schätzjen nicht in Frage, weil er hinter der Bühne gestanden hatte. Noch besser sah Lukas aus, schlank, mit vollem schwarzen Haar, einem kleinen Bärtchen und wunderschönen Augen. Hitze schoss in Pilars Kopf. Es waren schon Pfarrerskinder zu Mördern geworden, niemand war davor sicher!
    Sie griff nach dem Telefon. »Lukas«, begann sie, als ihr Sohn sich meldete. »Wer hat dir gesagt, dass Katie auf Bobbi steht? Kannst du noch mal nachfragen?«
    »Mutter, du nervst! Wir sind in Worms in einer Kneipe, und du kommst mit so einem Scheiß!«
    »Hast du das nur gesagt, weil du selbst«, sie schluckte, »Katies Freund bist?«
    Er schwieg. Bitte nicht, dachte sie. Im Hintergrund hörte sie Gelächter, Grölen, Gläserklirren, fetzige Musik.
    »Warte mal«, sagte Lukas.
    Sie wartete. Und vibrierte innerlich. Nach einer Weile wurden die Geräusche an ihrem Ohr schwächer. Stattdessen war ein vorbeifahrendes Auto zu hören. Offenbar hatte Lukas die Kneipe verlassen und stand nun draußen auf der Straße.
    »Das hat die Sarah gesagt«, meldete er sich zurück. »Und dabei gegrinst. Kann sein, dass sie gedacht hat, ich will was von der Katie. Was natürlich Käse ist.«
    »Natürlich.

Weitere Kostenlose Bücher