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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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Könnte sonst noch jemand wissen, wer däm Katie sing Schätzjen ist?«
    »Hä, was?«
    »Mit wem die Katie geht.«
    »Keine Ahnung.«
    »Lukas, wenn du was rauskriegst, ruf mich an, ja?«
    »Mutter, ich mach mich nicht lächerlich.«
    Wumm, das war’s. Sie hätte ihrer Mutter das Gleiche an den Kopf geworfen, wenn sie vor dreißig Jahren Ähnliches von ihr verlangt hätte.
    Immerhin hatte das Gespräch sie ein wenig beruhigt. Sie legte das Telefon neben sich und knipste die Lampe wieder aus. Qigong im Dunkeln ging einfach besser. Also noch mal: unteres Dantian. Steißbeinpunkt, Lebenstor – nein, nicht so gehetzt, das war zu schnell. Erst musste man sich entspannen, erinnerte sie sich, am ganzen Körper, von der Stirn über die Kiefergelenke bis in die Fußsohlen. Dann noch mal anfangen: unteres Dantian, Dammpunkt … Also war ihr Gefühl richtig gewesen: nicht Bobbi. Sarah hatte Lukas belogen. Wer kam noch in Betracht? Ein guter Teil von Katies vierhundertneun Facebook-Freunden, von denen rund hundert in Ückesdorf und Röttgen wohnen mochten und ebenso viele auf dem angrenzenden Brüser Berg. Katies Schätzjen konnte auch aus weiter entfernten Stadtteilen stammen. In dem Alter waren alle ständig mit dem Bus quer durch die Stadt unterwegs: Party in Poppelsdorf, Geburtstag in Endenich, Grillen in Beuel, Spätfilm in Godesberg. Damian und Lukas kannten fast jeden Stadtteil in der Zeit zwischen zweiundzwanzig Uhr abends und fünf Uhr morgens.
    Plötzlich sah Pilar wieder Sarah vor sich, Sarah, wie sie im Flur hinter Anna gestanden hatte, ihren Blick, als Yannick nach Hause gekommen war. Wenn man auf blassen Teint stand, konnte man Yannick als halbwegs gut aussehend bezeichnen. Auf sie selbst wirkte er nicht nur farblos, sondern auch muffelig, aber bei den Mädchen galt das vielleicht als süß. Wäre der nach Katies Geschmack? Bevor im Saal das Licht ausging, war über Yannick geredet worden. Anna hatte gesagt, er käme zur Premiere, und er war nicht gekommen. Vergiss es Pilar, es ist nicht verdächtig, wenn man trotz Ankündigung nicht kommt. Der Junge findet Theater uncool, das hast du doch gehört. Einige andere, die ihr Kommen zugesagt hatten, waren ebenso wenig erschienen, das war bei jeder Aufführung so.
    Wer auch immer Katies Schätzchen war – hatte er aus eigenem Antrieb getötet oder gegen Bares für einen anderen? Geld brauchten alle jungen Leute, ohne dass sie sich als Killer verdingten, was in diesen Wohnvierteln ohnehin schwer denkbar war. Hier wuchsen junge Menschen heran, die für Geld nicht alles taten. Du hast keine Ahnung, Mutter . Nun ja, hier ließ sich vielleicht mehr verbergen als in Stadtteilen mit mehr Kriminalität. Sie würde kaum in Erfahrung bringen können, wer als Kind seine Teddys aufgeschlitzt hatte, wer Tiere quälte, blutige Computerspiele liebte, süchtig nach Gewaltvideos war und wen grausige Phantasien umtrieben. Möglicherweise sorgten auch die Eltern dafür, dass es niemand erfuhr. Falls sie es wussten … Was hatten denn ihre eigenen Eltern von ihr gewusst, als sie in diesem Alter war? Zum Beispiel nicht, dass ein Mann in einer Kneipe ihr für eine Nacht einen Batzen Geld geboten hatte, der sie von der Hälfte ihrer Schulden befreit hätte, wenn sie nachgegeben hätte.
    Goethe räkelte sich und schob sich über die Bettdecke näher an sie heran. Seine Vorderpfoten berührten ihre Kniekehle. Ein beruhigendes Gefühl, obwohl er so klein war. Sie sollte sich jetzt aufrappeln und das Flurlicht anschalten. Das würde ihr helfen, endlich einzuschlafen.
    Pilar setzte sich im Bett auf, was nun schon reibungslos klappte, und starrte in die Dunkelheit. Ob mit oder ohne Licht – aus dem Schlaf würde nichts werden, solange sie das Grübeln nicht einstellte.
    Wie ging so ein Handel zwischen dem Auftraggeber eines Mordes und dem willigen Täter vonstatten? Reichte es aus, ein paar große Scheine hinzublättern? Musste der Auftraggeber nicht besondere Macht über den Täter besitzen? Es konnten harte Drogen im Spiel sein oder fiese Schweinereien, die nicht herauskommen durften. Wären Täter und Auftraggeber dann nicht in anderen Kreisen zu suchen als unter den Vorstadtbürgern? Und wie war die Beziehung zum Opfer? Hatte Frau Holzbeisser ein düsteres Geheimnis gehütet, das weit wegführte aus diesem Viertel oder weit zurück in die Vergangenheit? In dem Fall konnte Schätzjen auch eine eigene Rechnung beglichen haben, ohne dass jemand hinter ihm stand.
    Ein Geräusch.
    Draußen.
    Sie

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