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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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saß, zog er sein Handy aus der Hosentasche. Das Display war grau und tot. Er hatte vergessen, es aufzuladen. Nicht schlimm, er musste nicht telefonieren. Die Fahrt nach Ückesdorf war kurz, kaum länger als fünf Minuten.
    * * *
    Sarah konnte am Freitagmorgen mit niemandem reden. Ihr Mund war trocken, ihre Kehle wie zugeklebt.
    »Was ist denn bei dir kaputt?«, fragte Lukas, als sie vor ihm in den Reisebus stieg, der sie und die anderen zurück nach Bonn bringen sollte. »Die halbe Nacht gekotzt, oder was? So besoffen warst du doch gar nicht.«
    Sarah wusste, dass sie beschissen aussah. Sie hatte kaum geschlafen. Immerhin hatte sie nicht geheult. Auf ihrem Hotelzimmer waren sie zu dritt gewesen, sie hätte sich eher die Hand zerbissen, als sich etwas anmerken zu lassen. Während die beiden anderen vor sich hin schnarchten, versuchte sie nachzudenken. Es war eher ein Herumirren in Fieberträumen, mit Bildern, die aufstiegen wie Rauch, die sich in andere Bilder verwandelten oder sich auflösten. Alles wabberte, nichts war greifbar.
    Aber jetzt im Bus, wo der Motor brummte und alle laut herumlaberten, war ihr Kopf mit einem Mal kühl. Alles fügte sich so leicht zusammen wie bei dem Gumminoppen-Puzzle, mit dem sie als Kind bei ihrer Oma gespielt hatte. Zunächst wurde ihr klar, wer die Tusse in Yannicks Bett gewesen war. Ihre Lache hatte sie hundertmal gehört. Das Quieken war sonst eher ein Glucksen. Es war Katie.
    An dem verdammten Samstag hatte Sarah die komische Lache auch gehört, noch leiser und so kurz, dass sie nicht auf die Idee gekommen war, sich irgendwas dabei zu denken. Im Dunkeln, als sie hinter der Bühne standen und die Musik losbrach, gingen ja alle davon aus, dass Katie auf der Bühne lag. Das Glucksen aber schien von weiter rechts zu kommen, was Sarah nicht beachtete, weil sie annahm, sie hätte sich getäuscht. Nun sah sie das anders: Sie hatte sich nicht getäuscht! Katie war wirklich rechts von der Bühne gewesen, da, wo der Durchgang war. Das ergab einen Sinn, wenn Katie zwischendurch in den Saal geschlichen war und – dem Mörder den Kasten gebracht hatte. Alle wussten, das Katie wahllos im Netz herumchattete, sie konnte dort irgendwen aufgegabelt haben, der ein verkappter Krimineller war. Katie ließ sich leicht zu den blödesten Sachen überreden, das war bekannt. Und später, als sie gemerkt hatte, was daraus geworden war, hatte sie die Story von dem verdammten Zufall erfunden.
    Die Sache war ein bisschen zu kompliziert für einen müden Kopf. Sarah schlief darüber ein. Als sie aufwachte, sah sie, dass der Bus auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte stand. Die anderen stiegen gerade wieder ein, mit Kaffeebechern und Chipstüten in den Händen.
    Lukas hatte sich eine Zeitung gekauft. »Hier gibt es den Bonner Generalanzeiger , da musste ich einfach zuschlagen.« Er lachte.
    »Heimweh!«, grölte einer von hinten.
    »Bonn, mon amour!« Lukas ließ sich auf den Sitz vor Sarah fallen.
    »Was gibt es Neues aus den Promi-Stadtteilen Röttgen, Ückesdorf, Lengsdorf?«, ertönte es aus den vorderen Reihen.
    »Hier steht was über den Räuber von Ückesdorf.«
    Mehrstimmiges Johlen.
    »Lies vor!«
    Lukas räusperte sich. »Nö, ist mir zu lang.«
    »Faule Socke!«
    »Okay … Gesucht wird eine goldene Anstecknadel mit einem Rubin drauf. Das Opfer hat die Rubinnadel in der Tatnacht getragen, sagt die Tochter, und nun ist sie futsch. Die Nadel, meine ich. Nun will die Polizei wissen, wer so ein Ding gesehen hat. Sachdienliche Angaben nimmt jede Polizeidienststelle entgegen, bla, bla, bla.«
    Sarah fühlte sich, als würde sie mit Schnee eingeseift.
    »Ein Foto?« Mehr als zwei Worte waren beim besten Willen nicht drin. Obwohl sie sich an die Hoffnung klammerte, dass es in Bonn massenhaft Rubinnadeln gab …
    »Hier.« Lukas hielt die Seite hoch. »Kannste sehen?«
    Die Anstecknadel auf dem Foto sah schöner aus, heller und glänzender. Das war der einzige Unterschied. Das Bandmuster auf der langen Seite, der glatte dunkelrote Stein in der hohen Fassung – es war die Rubinnadel, die ihr Yannick geschenkt hatte. Von wegen Oma! Sarah war ganz elend bei dem Gedanken, der sie wie aus einem Hinterhalt überfiel: War Yannick …? Es gab noch andere Möglichkeiten. Er konnte die Anstecknadel gefunden oder von irgendwem bekommen haben, er musste nicht selbst der Räuber sein, nicht unbedingt.
    Mit aller Gewalt kam jetzt gallebitter in ihr hoch, was sie die ganze lange Nacht hindurch nicht hatte

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