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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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bin ich, dachte Pilar zugleich.
    »Ich habe einen Stuhl hinter der Kasse. Ich setze mich, wenn keine Kunden da sind.«
    »Gehen wir ins Wohnzimmer.«
    Pilar ging durch die Diele voran, an der offenen Küche und am Bücherregal vorbei in den kleinen Flur vor der Treppe. Zum Glück hatte sie inzwischen aufgeräumt. Leider nicht alles, wie ihr jetzt auffiel – das Päckchen mit der grünen Wäscheleine, die längst im Keller hängen sollte, lag höchst undekorativ vor der in Leder gebundenen Heiligen Schrift von 1831 mitten im Regal.
    Solche Kleinigkeiten schien Frau Fischmann nicht wahrzunehmen. Sie betrat das Wohnzimmer und ließ ihren Blick mit leicht geöffnetem Mund über die Wände schweifen, als besuchte sie ein Museum. Neben dem Couchtisch blieb sie stehen.
    »Wie hübsch das alles ist! So wunderbare alte Möbel. Sicher von Ihren Eltern?«
    »Von meinem Vater«, antwortete Pilar.
    »Herrlich, diese Kommode mit dem Schnitzwerk.«
    »Die ist aus Andalusien.«
    »Granada? Dort bin ich mal gewesen.« Wieder das schmerzliche Lächeln.
    »Cordoba.«
    »Aber der Säbel an der Wand ist nicht spanisch, nicht wahr? Der erinnert mich eher an Dschingis Khan.«
    »Er stammt aus Marokko. Mein Vater war Korrespondent in Rabat. Bitte, setzen Sie sich.«
    Wir reden miteinander wie zwei ganz normale Nachbarinnen, dachte Pilar. Hoffentlich kommt sie bald zur Sache.
    Nadja Fischmann setzte sich auf Schillers Schaukelstuhl, was Pilar einen leichten Stich versetzte. Sie selbst entschied sich fürs Sofa und saß der blonden Frau nun schräg gegenüber.
    »Es ist nicht so leicht zu erklären.« Frau Fischmann schluckte.
    Pilar wartete gespannt. Menschen mit Kummer drängte man nicht. Im Stillen rekapitulierte sie, was sie über psychische Erkrankungen wusste, aber ein tiefer Seufzer unterbrach ihre Überlegungen.
    »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
    »Was für ein Schlüssel war das, mit dem Sie an unserer Tür waren?«, fragte Pilar ziemlich scharf. Sie wurde ungeduldig.
    »Ach so, ja. Den hat jemand verloren. Ich habe ihn auf der Straße gefunden.«
    »Darf ich ihn mal sehen? Wir vermissen nämlich einen Schlüssel.«
    »Natürlich.« Frau Fischmann öffnete ihre große Ledertasche und kramte darin herum. »Ich weiß nur nicht, wo ich ihn hingesteckt habe. Sonst bin ich sehr gewissenhaft, aber heute Nacht war ich nicht ich selbst.« Sie zog den Reißverschluss der Tasche zu. »Tut mir leid.«
    »Was wollten Sie an unserer Tür?«
    »Mir war in dem Moment nicht bewusst, dass es Ihre Tür war, Frau Álvarez-Scholz. Ich schäme mich, es zu sagen: Ich hatte gehofft, es wäre sein Schlüssel, und habe seine Tür gesucht, nur seine ! Ihre Straße und seine liegen genau parallel zueinander, ich hatte mich vertan.«
    »Sie wollten zu Dirk Holzbeisser.«
    »Es hing damit zusammen, dass ich nächtelang kein Auge zugetan und zu viel Kognak getrunken hatte, anders kann ich mir die Verwechslung nicht erklären.« Ihre Stimme bekam etwas Kratziges. »Dirks Kummer ist auch mein Kummer. In dieser Nacht war ich mir sicher, dass er auf mich wartet.«
    »So spät noch?«
    »Wie konnte er schlafen, wenn er Trost brauchte?« Frau Fischmann hüstelte. »Entschuldigen Sie, mein Mund ist furchtbar trocken.«
    »Möchten Sie etwas zu trinken?«
    »Gerne«, erwiderte Frau Fischmann, sichtlich erleichtert. »Aber bitte nichts Kaltes. Das vertrage ich nicht.«
    »Ich habe noch Kaffee in der Thermoskanne.«
    »Danke, kein Kaffee. Mein Magen ist zurzeit überempfindlich. Das kommt von den Antibiotika.«
    »Soll ich einen Tee machen?«
    »Bitte, keine Umstände.«
    »Ist ja schnell gemacht.«
    »Wenn Sie meinen. Aber keine Teebeutel, bitte. Ich bin allergisch gegen das Papier.« Sie hüstelte noch einmal und schlug ihre langen Beine, die glänzende transparente Strümpfe bedeckten, übereinander. Der Riemen am Schaft der Stiefelette verrutschte, die kleine Schnalle hing ein wenig schief.
    »Ich habe Bio-Darjeeling aus dem Teeladen«, sagte Pilar.
    »Ja, das wäre wunderbar«, antwortete Frau Fischmann.
    Pilar ging in die Küche. Da bereite ich der Frau, die ich heute Nacht noch verdächtigt habe, nun einen Tee zu, wunderte sie sich.
    »Kann ich etwas helfen?«, rief Frau Fischmann ihr nach.
    »Danke, nein«, gab Pilar über ihre Schulter zurück. Sie füllte den Wasserkocher und hantierte mit Teedose, Teenetz und Kanne. Was ist mit Nadja Fischmann los?, überlegte sie. Warum kommt diese gut aussehende, sympathische Frau mit dem Leben nicht klar? Pilar

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