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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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Kopie.«
    Freddys gute Erziehung ließ ihn einen Moment zögern. Dann las er, was auf dem Blatt geschrieben stand.
    Liebe Nadja,
    ich will nicht viele Worte verlieren. Es war vielleicht zwei Uhr, ich weiß nicht genau. Er kam mit ihr her, und alles war so seltsam. Nein, keine Einzelheiten. Sie ging, und er blieb drei Minuten, nicht länger. Ich sagte: »Dirk, endlich.« Ich öffnete erst meinen Morgenmantel, dann die Schlafzimmertür. »Chris«, sagte er, ja, genauso wie früher: Chris! Aber dann kam es: »Chris, bitte. Mach keine Dummheiten. Damals war Schluss für immer, und das gilt unverändert.« Es klang knapp und hart. Er sah mich kaum an.
    Nadja, es war so furchtbar, so unfassbar. Ich bin hin und her gelaufen und hätte laut gebrüllt, wenn ich nicht an die Alte in der Wohnung unter mir gedacht hätte.
    Nadja, ich löse mich auf, ich – ich … Du weißt, warum er so ist. Es liegt an ihr.
    »Chris …«, darin lag, was mir zunächst nicht aufgefallen war, Zärtlichkeit und sehnsuchtsvolles Schwanken. Er tut sich Gewalt an, Nadja. Jetzt eben, während ich schreibe, ist mir der Gedanke gekommen. Er tut sich Gewalt an, weil sie ihn unter Druck setzt. Nein, nichts ist verloren! Sie muss weg.
    Alles wird gut. In Liebe und Vorfreude,
    Chris
    »Eine jämmerliche Liebesgeschichte«, meinte Freddy.
    Frau Nölles schien nach Luft zu schnappen. »Senn Se Detektiv odde net? Wänn isch sare: De Flehsch moss fott –«
    »Wie bitte?«
    »Wenn isch sage, die Fliege muss weg – watt heißt datt dann?« Ihre Mausaugen funkelten ihn an, als wäre er ein Stück Speck. »Datt heißt: Isch maach se dut!«
    »Wie?«
    »Tot hau isch die!« Die spitze Nase zuckte hin und her. »Aber wer ist die Fliege?«
    »Und wer ist Chris?«, gab Freddy zurück.
    »Isch jlöv, datt … Nää, bränge Se datt eenfach zur Polizei, Herr Detektiv. Vezälle Se dänne, Se hätten et op de Stroß jefunge.«
    Freddy schüttelte den Kopf. »Wenn man sich jemanden weit weg wünscht, heißt das nicht gleich Mord und Totschlag.«
    »Isch well domet nix ze donn haben! Sonst bin isch die nächste Fliege!« Die Wohnungstür fiel hinter ihr zu.
    »Augenblick, Frau Nölles!«
    Die Tür öffnete sich wieder für einen Spalt.
    »Gießen Sie Frau Fischmanns Zimmerpflanzen, wenn sie in Urlaub ist?«
    Sie zog die Tür ganz auf und warf ihm ihren Fuchsblick zu. »Isch denk de janze Zick, datt Se deswejen hier senn.« Sie zog einen Schlüssel aus ihrer Rocktasche. »Bitte sehr. Aber maache Se flöck, man weiß bei der nie, wann se nach Huss kütt.«
    Freddy streckte die Hand aus. Mitten in der Bewegung hielt er inne und biss sich auf die Unterlippe. Was zum Teufel war in ihn gefahren? Wollte er sich wegen Hausfriedensbruch strafbar machen?
    »Behalten Sie den Schlüssel, Frau Nölles. Ich habe kein Recht, in Frau Fischmanns Wohnung einzudringen.«
    Die Spitzmaus sah ihn verwundert an. »Watt senn Sie denn für einer? Im Fernsehen machen se datt doch auch!« In ihren Augen stand herbe Enttäuschung. »Jot, wenn Ihnen datt jejen de Ehre jeet, isch hab damit kein Problem!«
    Entschlossen stapfte sie die Treppe hoch. Freddy blieb vor ihrer Wohnungstür stehen. Er hörte, wie sie in der Etage darüber die Tür aufschloss und die Wohnung betrat.
    »Isch hab sie!«, rief sie kurz darauf.
    »Wen haben Sie?«
    Frau Nölles erschien mit einer Plastiktüte in der Hand auf der Treppe. »Bitte sehr, Herr Detektiv. Datt sind die anderen Briefe von Chris.«
    Freddy wich einen Schritt zurück. In seinem Kopf schrillte es Alarm. Rechtswidrig erlangt! Hände weg! Seinem Ausbilder war es sehr wichtig gewesen, dass die angehenden Privatdetektive solche Dinge verinnerlichten.
    Fast ohne seinen Willen schlossen sich Freddys Finger um die Henkel der Tüte, die Frau Nölles ihm reichte. Sie verschwand in ihrer Wohnung und schloss mit Nachdruck die Tür. Offenbar kannte sie den Inhalt. Ob seit heute Morgen oder schon länger, das würde er jetzt nicht erfahren.
    Die Kopie, die er noch in der Hand hielt, schob Freddy zu den Briefen in die Tüte. Dabei sah er, dass es sich um einzelne Blätter ohne Umschlag handelte. Er überlegte, ob er sich auf eine Treppenstufe setzen sollte, um ein paar davon zu überfliegen. Aber wenn Frau Fischmann plötzlich ins Haus träte und mit schnellem Schritt die Treppe heraufkäme?
    Rasch wandte er sich um und ging zur Haustür hinunter. Die Tüte trug er vor sich her, als ob sie Dynamit enthielte. Er war aufgewühlt, er musste mit Pilar reden.
    Als er im Auto

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