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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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dem Gericht erzählen müssen. Wir waren bescheuert. Man muss zu seinem Mist stehen. Und nicht alles glauben, was so einer wie der Vidar sagt. Hab so eine Ahnung, wie das mit Pilars Kasten wirklich war und wo der plötzlich die ganze Kohle herhat. So wie der gestern drauf war, trau ich ihm zu, dass er mich volle Kanne reingelegt hat. Und dass er die – aber das kann die Polizei überlegen, ich will das nicht. Sonst heul ich gleich wieder los.
    Ich hab mich beim Tommy entschuldigt, aber der hat nur gesagt: »Schon gut.« Fand ich cool. Echt, ich hab das Gefühl, ich hätte im Leben einen höheren Level erreicht. Tut noch weh, aber da komm ich drüber. Schon gut.

DREIUNDZWANZIG
    »Tut mir leid – ich konnte nicht aufmachen«, keuchte Pilar. Ihre Knie zitterten nicht mehr, trotzdem hatte sie das Gefühl, dass ihr Körper im Innern vibrierte, als könnten Herz und Nerven sich noch nicht beruhigen.
    Vor ihr stand Rita und kniff die Augen zusammen. So grimmig hatte Pilar sie noch nie gesehen. Lukas stand hinter Rita und schien peinlich berührt. Weiter rechts sah Pilar Freddy mit einer Plastiktüte und Sarah mit einem abgenutzten Rucksack.
    Wie die mich anschauen, dachte Pilar. Als wäre ich ein Fall für die geschlossene Abteilung der Psychiatrie. Sie ahnen nicht, was hier los war.
    »Ich musste erst meine Mörderin unschädlich machen.«
    Rita wich einen weiteren Schritt zurück. »Verfolgungswahn?«
    »Sie stand plötzlich«, Pilar musste schlucken, »mit dem Säbel vor mir.« Sie konnte nicht weitersprechen, ihre Stimme versagte. Alles war gegenwärtig, als wäre sie noch mittendrin.
    Wie sie um die Ecke bog, hinterm Regal etwas wahrnahm, sofort begriff und doch nicht mehr zurückweichen konnte, zu schnell schoss die Faust hervor, die sie mit Wucht im Gesicht traf. Wie sie gegen den Treppenpfosten taumelte, den Säbel vor Augen, die scharfe Klinge ihrer Kehle so nah, dass sie den tödlichen Schnitt schon zu spüren glaubte. Das Lächeln der Mörderin, die sich an ihrer Todesangst weidete, den Moment auskostete. Das Tock-tock des Katerkragens, sehr fern, dann näher kommend. Der Schreck im Gesicht der Frau, ihr schrilles »Wer ist da?«, die Waffe, die zur Seite zuckte. Pilar, kurz davor, jeden Halt zu verlieren und zu Boden zu rutschen, spannte die Muskeln, bis die Hand des schmerzenden Arms den Pfosten umklammerte. Mit dem anderen Arm schleuderte sie das Stövchen wie einen Diskus von sich.
    Das schwere Glas traf die Schläfe der Frau. Ihr Körper wankte. Die Klinge drehte ab und schrappte über das Holz des Pfostens. Die große Blonde kippte wie eine Statue, die vom Sockel fällt, ihr Kopf prallte auf den Fliesen auf. Der Säbel schlitterte bis zur Fußleiste.
    Die Frau bewegte sich nicht, die Augen waren geschlossen. Es konnte eine Finte sein. Pilar war auf der Hut, sie entfernte sich nicht. Mit dem Fuß holte sie den Säbel näher heran, um im Notfall danach greifen zu können. Nun ein Schritt nach vorn, ein Griff ins Regal, wo vor der Bibel von 1831 noch das grüne Päckchen lag. In atemloser Hast riss Pilar die Banderole ab und legte die Wäscheleine über Frau Fischmanns Brust und Arme. Keine Reaktion. Sie führte die Leine unter dem schlaffen Körper durch, verband sie mit dem Anfang zu einer Schlinge, die sie festzog, sodass die Arme ihrer Feindin fest am Körper lagen. Ebenso verfuhr sie mit Taille, Unterkörper und Beinen, bis die ganze Frau von Kopf bis Fuß mit zwanzig Metern Plastikleine fest verschnürt war.
    Nein, dachte Pilar, ich schaffe es jetzt nicht, darüber zu reden. »Danke, Goethe«, sagte sie laut.
    »Jetz es et övvejeschnapp«, war Ritas Kommentar.
    Die Küsterin schien im Haus etwas erspäht zu haben, drängte sich mit eingezogenem Bauch an Pilar vorbei und durchquerte die Diele. Freddy, Sarah und Lukas folgten ihr. Pilar blieb an der offenen Tür stehen, als wäre für sie jeder weitere Schritt zu viel. Ihr Blick fiel auf Freddys Plastiktüte, die er gegen die Kommode gelehnt hatte. Sie trug die Aufschrift eines Modehauses.
    »Nää, nä, nä!« Ritas Ausruf glich einem Lachen. »Verpackt wie e Weihnachtsbäumschen! Juten Morjen, Frau Fischmann! Watt wollten Sie dann heh?«
    »Mich ermorden«, sagte Pilar. »Was sonst?«
    »Jo, watt söns?« Rita kam schnaufend zurück an die Tür. »Ist jetzt bei uns normal oder watt?«
    »Mutter, wie hast du das geschafft?« Lukas trat hinter Pilar und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter – zum Glück auf die rechte.
    »Pilar, wir wissen, wer

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