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Kottenforst

Kottenforst

Titel: Kottenforst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Thiesmeyer
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Verletzungen, konnte sie nicht in der Lage sein, sich ernstlich zu wehren …
    Er durfte nicht weiterlesen, er musste so schnell wie möglich zu Pilar! Freddy drehte erneut den Schlüssel im Zündschloss. Frau Nölles hatte recht, es ging um Mord und Totschlag, und wer da wegsollte, war Pilar! Sie durfte keine Minute länger allein sein. Er musste sofort mit ihr zur Polizei fahren. So einer wie Chris zögerte nicht lange, konnte es am helllichten Tage versuchen, war zu jedem Wahnsinn fähig. Was hatte die alte Karre wieder? Eine letzte Chance gebe ich ihr noch, dann geh ich zu Fuß nach Ückesdorf, dachte Freddy. Doch beim nächsten Versuch sprang der Motor an.
    Das Wohnviertel, den Brüser Damm und den Konrad-Adenauer-Damm ließ er schnell hinter sich. Dann bog er in die Reichsstraße ein, die er so gern mochte, weil sie, von Bäumen gesäumt, am Rande von Feldern entlangführte, als wäre man weit draußen auf dem Land. Aber ausgerechnet jetzt zuckelte ein alter Traktor vor ihm her. Wegen des Gegenverkehrs und der Kurven war an Überholen nicht zu denken. Ganz ruhig, sagte er sich, auf die paar Sekunden kommt es nicht an.
    Was hatte die Spitzmaus gemeint? Es sei Frau Fischmanns eigene Handschrift? Undenkbar. Äußerungen wie die von Chris waren nicht ihr Stil. Frau Nölles musste sich irren.
    Der Traktor vor ihm wurde langsamer. Freddy erwog, die erste Abzweigung nach Ückesdorf zu nehmen. Das bedeutete einen Umweg über Straßen, die er kaum kannte. Als er sich gerade dazu entschlossen hatte, schwenkte der Traktor nach links auf ein Feld ab. Freddy blieb auf der Reichsstraße und fuhr auf dem gewohnten Weg in den Ort und bergauf in eine Kurve, an deren Ende es nicht weiterging.
    In dem Engpass vor ihm standen sich zwei Linienbusse gegenüber, wo nur einer hindurchpasste. Freddy stieß einen Fluch aus. Wegen der parkenden Wagen an der Seite war es unmöglich zu wenden, und zurücksetzen konnte er nicht, weil hinter ihm ein Lastwagen angekommen war.
    Draußen waren Stimmen zu hören. Freddy kurbelte sein Fenster herunter.
    »Kannste net odde wellste net?«, rief der Fahrer des unteren Busses aus seinem Fenster.
    »Isch ben watt spät«, kam aus dem Fenster des oberen Busses.
    »Datt määt doch nix.«
    »Sarens, worömm beste heh op de 604?«
    »Peter, do unge senn se am hupe!«
    »Und wie soll isch zeröcksätze? Soll isch die dohinge platt maache odde watt?«
    Freddy stöhnte auf. Auch wenn er die bönnsche Gemütlichkeit sonst schätzte – diesmal empfand er sie als Qual. Immerhin kam jetzt Bewegung in die Schlange hinter dem oberen Bus. Ein Wagen nach dem anderen setzte zurück, schließlich auch der Bus. Ein paar Minuten später fuhr der untere Bus durch den Engpass hinauf zur Endhaltestelle. Freddy gab Gas, bog um die nächste Ecke und warf den Fuß sofort wieder auf die Bremse: die Müllabfuhr. Kein Vorbeikommen, die Straße war zu schmal. Er setzte zurück und nahm die nächste Querstraße. Dort standen zwei Frauen mit vier Hunden auf der Fahrbahn, deren Leinen sich miteinander verheddert hatten. Als Freddy das Haus der Familie Scholz endlich erreichte, stellte er fest, dass er nicht fünf, sondern zwölf Minuten gebraucht hatte.
    Vor Pilars Haustür stand ein Mädchen mit dunkeln Locken, achtzehn oder neunzehn Jahre alt. Er kannte sie und entnahm ihrem Blick, dass auch sie ihn erkannte. Nach jeder Theaterpremiere war er hinter die Bühne gekommen und hatte alle beglückwünscht. Ihm fiel auch ihr Name ein: Sarah. Die mit dem Talent zur Komik. Heute sah sie kein bisschen danach aus. Sie wirkte blass und verstört.
    »Wir haben schon zweimal geklingelt, Lukas und ich. Und niemand geht ans Telefon«, erklärte sie.
    Lukas trat durch das kleine Gartentor. »Im Garten ist sie auch nicht«, sagte er. »Zu blöd, dass mein Schlüssel futsch ist.«
    »Hoffentlich ist sie nicht mit dem blinden Hund allein im Wald, sie liebt die einsamen Wege abseits der großen Schneisen. Wenn ihr dort etwas zustößt …« Freddy saß plötzlich ein Kloß im Hals, er mochte kaum weiterreden. »Wir müssen die Polizei anrufen.«
    Die beiden sahen ihn an, als hielten sie ihn für ziemlich überspannt. Sie wissen noch nichts, fiel Freddy ein, sie waren auf ihrer Fahrt. Ihr habt doch Handys, wollte er gerade sagen, als er abgelenkt wurde. Ein roter Kleinwagen hielt vor dem Haus. Durch das Fenster leuchtete silbrig graues Haar. Die Beifahrertür öffnete sich, und ächzend wuchtete sich die Küsterin vom Sitz.
    »Tschö, Dieter«,

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