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Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld

Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld

Titel: Kovac & Liska 02 - In aller Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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seiner Tochter gute Nacht zu sagen?«
    »Mr. Moore ist sehr beschäftigt«, erwiderte sie. Sie wagte nicht, ihn anzusehen.
    »Ist er oft abends unterwegs?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Sie wohnen doch hier, oder nicht?«
    »Es geht mich nichts an.«
    »Nun, aber mich«, sagte Kovac. »Also, ist er oft abends unterwegs?«
    »Ein paarmal die Woche«, antwortete sie widerwillig. »Er ist sehr …«
    »Beschäftigt. Ich weiß.«
    Er reichte der jungen Frau seine Karte.
    »Rufen Sie mich bitte an, wenn Mr. Moore nach Hause kommt«, bat er sie. »Egal, wie spät es ist.«
    Stirnrunzelnd studierte sie die Karte. Kovac überlegte, dass sie in den skandinavischen Ländern bestimmt eine niedrige Kriminalitätsrate hatten. Es war viel zu kalt dort, und die Leute waren zu höflich und zu gut aussehend. Sie dachte im Moment wahrscheinlich daran, ins nächste Flugzeug nach Stockholm zu steigen.
    »Wecken Sie Mrs. Moore bitte alle zwei Stunden«, wies er sie auf dem Weg nach unten an. »Sie hat eine Gehirnerschütterung. Es ist wichtig, dass Sie sie immer wieder aufwecken und sich vergewissern, dass sie weiß, wie sie heißt und wo sie sich befindet.«
    Das Kindermädchen starrte noch immer auf die Karte, als er sich an der Eingangstür zu ihr umdrehte. »Sagen Sie ihr, dass ich das angeordnet habe«, schlug er vor. »Auf mich ist sie sowieso schon sauer.«

7
    Karl Dahl gehörte zu den Menschen, die lieber beobachteten. Er hatte noch nie viel zu sagen gehabt. Er hatte keine Freunde und konnte sich darauf verlassen, dass die Leute ihn nicht bemerkten. Vor langer Zeit schon hatte er gelernt, mit seiner Umgebung zu verschmelzen.
    Im Laufe der Jahre hatten ihn verschiedene Leute mit dem Spitznamen »Gespenst« bedacht. Er war schon immer blass gewesen, mit einer seltsamen grauen Färbung. Seine Augen waren grau. Seine Haut hatte einen grauen Schimmer.
    In seiner Jugend wurde verschiedentlich die Vermutung geäußert, er könnte eine Blei- oder Quecksilbervergiftung haben oder irgendeine andere Art von Vergiftung. Karl hatte nie geglaubt, dass das der Fall war, denn dann wäre er doch längst tot oder zumindest krank.
    Er hatte schon im Gefängnis gesessen. Mehrmals sogar. Im Gefängnis sollte man besser keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Besonders nicht, wenn man bestimmte Neigungen hatte. Nachdem er bei seinem ersten Gefängnisaufenthalt üble Erfahrungen machen musste, hatte er es das nächste und das übernächste Mal ganz gut geschafft, sich aus der Schusslinie zu bringen. Aber dieses Mal konnte er nicht unerkannt bleiben.
    Dieses Mal hatte jeder im Gefängnis mitbekommen, wer er war und weshalb man ihn angeklagt hatte. Alle hassten ihn. Wärter und hartgesottene Knastbrüder hassten ihn gleichermaßen so sehr, dass sie ihm etwas antun, ihn vielleicht sogar umbringen wollten. Andere Insassen spuckten ihn jedes Mal an, wenn sie an ihm vorbeikamen. Wieder andere brüllten ihm irgendwelche Drohungen hinterher. Ihm war klargemacht worden, dass er es nicht überleben würde, wenn er den Männern hier in einem unbeobachteten Moment in die Hände fiel.
    Heute war es schlimmer gewesen als sonst. Die Richterin hatte wegen seiner »früheren Straftaten« entschieden, wie es die Anwälte nannten. Die Nachricht über ihre Entscheidung verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Gefängnis. Der Staatsanwaltschaft war es nicht erlaubt worden, im Prozess einen der Fälle vorzubringen, in denen er vor den Haas-Morden angeklagt oder verurteilt worden war. An sich war das von Vorteil für ihn, nur glaubte er nicht, dass ihn die Geschworenen, egal unter welchen Umständen, für nicht schuldig befinden würden. Einer der Gefängniswärter hatte ihn als sicheren Todeskandidaten bezeichnet, und Dahl war überzeugt, dass er Recht damit hatte, wenn er im Gefängnis bleiben musste.
    Er hatte eine eigene Zelle im Trakt für Selbstmordgefährdete. Dennoch fühlte er sich nicht sicher. Ein Gefängnis war dazu da, die Leute draußen vor Verbrechern zu schützen. Was drinnen passierte, ob einer der Insassen lebte oder starb – insbesondere wenn es um jemanden wie ihn ging – , war den Leuten doch scheißegal.
    Wenigstens hatte er einen Anwalt, der sich bemühte. Als er erfahren hatte, dass sein Anwalt einer aus der großen Schar von Pflichtverteidigern war, hatte er erst einmal das Schlimmste erwartet – irgendeinen gelangweilten und verbitterten Versager zu bekommen, der überhaupt keine Lust hatte, ihn zu verteidigen, und ihn, ohne mit der Wimper zu zucken,

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