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KR114 - Ich und der Mord im Jazz

KR114 - Ich und der Mord im Jazz

Titel: KR114 - Ich und der Mord im Jazz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich und der Mord im Jazz
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immer noch etwas mißtrauisch ansahen.
    Ich probierte mit ihrer Erlaubnis sämtliche Türen des Ganges durch. Sie öffneten sich alle in leere Zimmer. Bis auf die letzte.
    »Ist ja klar«, erklärten die drei. »Die Musiker sind schon seit einer Stunde auf der Bühne. Hier war in der letzten Stunde kein Mensch, wenn Sie das gern wissen wollen.«
    Als ich die letzte Tür öffnete, sah ich einen jungen Mann in weißem Frack auf dem Boden liegen.
    Das Zimmer stank mörderisch nach Alkohol.
    »Das ist Jack Guitar Wiely, ein Star der Nobras Band«, erklärte einer. »Er wird aber trotzdem nicht mehr lange bei uns bleiben. Er ist mindestens zweimal in der Woche so besoffen, daß er nicht auftreten kann. Das können wir uns auf die Dauer nicht leisten. So eine Band ist ein geschlossenes Ganzes. Wenn da einer fehlt, macht sich das bemerkbar, vor allem bei uns, weil wir doch unserem Stil gemäß keine Blechbläser haben, die fülllen könnten.«
    Ich goß dem jungen Mann den Rest aus der Whiskyflasche, die auf dem Tisch stand, über das Gesicht.
    Er hob den Kopf, stützte sich langsam hoch und schüttelte sich.
    Er nahm seine Gitarre und ging mit festem sicherem Schritt auf die Tür zu.
    Er schien auf den Zustand der Trunkenheit schon so trainiert zu sein, daß man ihm kaum etwas anmerkte.
    Ich hielt ihn fest: »Wie lange sind Sie schon hier?«
    »’ne ganze Weile.«
    »War jemand hier?«
    Er blickte mich an und sagte: »Kein Mensch! Kein Mensch war hier!«
    Ich ließ ihn Vorbeigehen und rief: »Mr. Wiely?«
    »Was ist los?«
    »Haben Sie sich verletzt?«
    »Nein.«
    Ich nahm eine Rolle gummierten Heftpflasters vom Tisch.
    Er trat einen Schritt auf mich zu, blickte achselzuckend und etwas ratlos auf die Rolle in meiner Hand.
    »Keine Ahnung, wo das herkommt. Ich gehöre nicht zu den Pessimisten, die ständig so was mit sich rumschleppen, für den Fall, daß sie sich in den Finger schneiden.« Ich nickte.
    Er ging ’raus. Kurz hinter seiner Tür war der Gang mit einem Vorhang abgeteilt.
    Er schlug den Vorhang zur Seite.
    Ich folgte ihm und stand, nur durch eine Soffitte vom Zuschauerraum getrennt, auf dem Podium.
    Die drei Männer, die offenbar als Mädchen für alles im Dienst des bekannten Jazzorchesters standen, waren mit Phil neben mich getreten.
    »Das macht er öfter«, flüsterte einer. Jack Guitar Wiely ging ungeniert über das Podium an der Jazzband vorbei und setzte sich unter die Musiker, um mitzuspielen.
    Beifall im Publikum. Wiely schien sehr beliebt zu sein.
    Es war erstaunlich, wie er sich in der Gewalt hatte.
    Ich sah mir interessiert die ganze Geschichte an.
    Alles nahm sich ganz anders aus, als ich nun von der Bühne aus die Sache betrachten konnte. Anders als sonst, wenn man mitten im Publikum sitzt.
    Merkwürdig, wie uniform sich das Publikum meinen Blicken darbot.
    Ein Raum, dunkel, angefüllt mit weißen eiförmigen Gebilden, wohlausgerichtet eines neben dem anderen, eine Reihe hinter der anderen: Gesichter.
    Eine riesige anonyme Menschenmenge.
    Und dieser beklemmenden Erscheinung dort im Zuschauerraum, all diesen Gesichtern, die ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Bühne richteten, stellte sich nun eine Frau.
    Die Bühne wurde dunkel.
    Dann richtete sich ein blauer Scheinwerferstrahl auf einen bestimmten Punkt. Dort stand sie.
    Ich trat unwillkürlich zwei Schritte nach vorn. Einer der Männer hielt mich zurück.
    »Vorsicht!« sagte er. »Man kann Sie sonst von unten sehen.«
    »Ach so, natürlich! Verzeihung!«
    Ich verstand nichts von dem, was sie sang.
    Man brauchte auch nichts zu verstehen. Der Text war belanglos.
    Sie sang, und das war das Ausschlaggebende.
    Ein sehr zurückhaltend gespieltes Vibraphon und ein Echovorsatz, oder wie man das nennt, am Mikrofon ließen den Eindruck entstehen, als singe diese Frauenstimme irgendwo mitten im Weltall.
    Dann kam ein Geigenvibrato dazu, dann die Gitarren.
    Ich verstand das Wort: eternity, Ewigkeit.
    »I shall be loving you through all eternity!«
    »Enttäuschend«, sagte Phil. »Nun machen die Nobras-Leute auch in kommerziellem Kitsch.«
    Ich blickte ihn entgeistert an und sagte: »Ja, ja, natürlich. Enttäuschend.«
    Und dann blickte ich wieder die Frau an.
    Phil wurde dieses Herumstehen langweilig. Er wollte gehen.
    Ich blieb, bis die Sängerin nach langem Beifall auf der anderen Seite der Bühne durch eine kleine Tür verschwunden war.
    Phil schielte mich mißtrauisch von der Seite her an, als wir wieder auf dem Gang standen.
    Ich räusperte mich und

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