Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
Vom Netzwerk:
mussten sie reichlich Talg auf die Stiefel schmieren, der wurde dann mit den Handballen eingewalkt, um das Leder geschmeidig zu halten, sonst wäre es über Nacht, wenn die Stiefel zum Trocknen über dem Ofen hingen, steinhart geworden.
    Alle verrichteten diese lästige Arbeit selbst – bis auf Lyschko, der sich an Witko hielt und ihn zwang, sie ihm abzunehmen. Als Michal das merkte, stellte er Lyschko in Gegenwart aller Burschen dafür zur Rede.
    Auf Lyschko machte das wenig Eindruck.
    »Was ist schon dabei?«, erklärte er leichthin. »Die Stiefel sind nass gewesen – und Lehrjungen sind dazu da, dass sie arbeiten.«
    »Nicht für dich!«, sagte Michal.
    »Ach was!«, widersprach ihm Lyschko. »Du steckst deine Nase in Dinge, die dich nichts angehen. Bist du hier etwa der Altgesell?«
    »Nein«, musste Michal einräumen. »Aber ich schätze, dass Hanzo es mir nicht übel nimmt, wenn ich dir trotzdem sage, dass du dir deine Stiefel in Zukunft selber walken sollst, Lyschko. Sonst könnte es sein, dass du Ärger bekommst – und kein Mensch soll mir nachsagen dürfen, ich hätte dich nicht gewarnt.«
     
    Wer bald darauf Ärger bekam, war nicht Lyschko.
    Am Abend des nächsten Freitages, als die Burschen in Rabengestalt in der Schwarzen Kammer hockten, eröffnete ihnen der Meister, es sei ihm zu Ohren gekommen, dass einer von ihnen dem neuen Lehrjungen heimlich zur Hand gehe und ihm verbotenerweise die Arbeit erleichtere: das verdiene bestraft zu werden. Dann wandte er sich an Michal.
    »Wie kommst du dazu, dem Jungen zu helfen – antworte!«
    »Weil er mir leidtut, Meister. Die Arbeit, die du ihm zumutest, ist zu schwer für ihn.«
    »Findest du?«
    »Ja«, sagte Michal.
    »Dann höre mir jetzt gut zu!«
    Der Müller war aufgesprungen, er stützte sich mit den Händen auf den Koraktor, den Oberkörper weit vorgebeugt. »Was ich wem zumute oder nicht, geht dich einen Dreck an! Hast du vergessen, dass ich der Meister bin? Was ich anschaffe, schaffe ich an, damit basta! Ich werde dir eine Lektion erteilen, an die du dein Lebtag denken sollst! – Raus da, ihr andern!«
    Er jagte die Mühlknappen aus der Kammer und schloss sich mit Michal ein.
    Die Burschen trollten sich voller Sorge zu Bett. Sie hörten die halbe Nacht lang ein grässliches Kreischen und Krächzen im Haus – dann kam Michal die Bodenstiege heraufgewankt, bleich und verstört.
    »Was hat er mit dir gemacht?«, wollte Merten wissen.
    Erschöpft winkte Michal ab. »Lasst mich, ich bitte euch!«
    Die Burschen konnten sich denken, wer Michal dem Meister verraten hatte. Anderntags hielten sie in der Mehlkammer eine Beratung ab und beschlossen, es Lyschko heimzuzahlen.
    »Wir werden ihn«, sagte Andrusch, »heut Nacht von der Pritsche holen und ihm das Fell gerben!«
    »Jeder mit einem Knüttel!«, rief Merten.
    »Und hinterher«, knurrte Hanzo, »bekommt er die Haare geschoren und Stiefelfett ins Gesicht geschmiert – und dann Ruß drüber!«
    Michal saß in der Ecke und schwieg.
    »Sag du auch was!«, rief Staschko. »Schließlich bist du es, den er beim Meister vergeigt hat!«
    »Gut«, meinte Michal, »ich werde euch etwas sagen.«
    Er wartete, bis sie still waren, dann begann er zu sprechen. Mit ruhiger Stimme sprach er, wie Tonda an seiner Stelle gesprochen hätte.
    »Was Lyschko getan hat«, sagte er, »war eine Lumperei. Aber was ihr da vorhabt, ist nicht viel besser. Im Zorn legt man seine Worte nicht auf die Goldwaage – gut. Doch nun habt ihr euch Luft gemacht, nun soll Schluss sein. Erspart es mir, dass ich mich für euch schämen muss!«

 
    Die Müllerburschen verprügelten Lyschko nicht: sie mieden ihn während der nächsten Zeit. Keiner sprach mit ihm, keiner gab Antwort, wenn Lyschko ihn etwas fragte. Den Brei und die Suppe setzte ihm Juro in einem besonderen Napf vor, »weil du von niemand verlangen kannst, dass er mit einem Haderlumpen aus einer Schüssel isst«. Krabat fand das in Ordnung. Wer seine Mitgesellen beim Meister anschwärzte, der verdiente es, dass sie ihm ihre Verachtung zu spüren gaben.
    Neumonds, wenn der Gevatter mit seinem Mahlgut vorfuhr, musste der Müller jetzt wieder mithalten bei der Arbeit. Er tat es mit großem Eifer, als gelte es, den Gesellen zu zeigen, was Zupacken heißt – oder war es ihm mehr um den Herrn Gevatter zu tun?
    Übrigens war der Meister im Spätwinter viel unterwegs, bald zu Ross, bald im Pferdeschlitten. Die Burschen machten sich wenig Gedanken darüber, von welcher Art

Weitere Kostenlose Bücher