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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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Tonda!«
    Krabat beginnt zu laufen. Er rennt, was er kann. Der Abstand verringert sich.
    »Tonda!«, ruft er.
    Nun ist er auf wenige Schritte herangekommen – da steht er vor einem Graben. Der Graben ist breit und tief, kein Steg führt hinüber, kein Balken liegt in der Nähe, auf dem er ihn überqueren könnte.
    Drüben steht Tonda, er kehrt ihm den Rücken zu.
    »Warum fliehst du mich, Tonda?«
    »Ich fliehe dich nicht. Du musst wissen, dass ich am anderen Ufer bin. Bleib du auf deinem.«
    »Wende mir wenigstens das Gesicht zu!«
    »Ich kann nicht zurückblicken, Krabat, ich darf es nicht. Doch ich höre und werde dir antworten, drei Mal im Ganzen. Nun frage mich, was zu fragen ist.«
    Was ist zu fragen? Krabat braucht nicht darüber nachzudenken.
    »Wer, Tonda, hat deinen Tod verschuldet?«
    »Am meisten ich selbst.«
    »Und wer noch?«
    »Du wirst es erfahren, Krabat, wenn du die Augen offen hältst. Nun die letzte Frage.«
    Krabat besinnt sich. Es gäbe noch viel, was er wissen möchte  …
    »Ich bin sehr allein«, sagte er. »Seit du weg bist, habe ich keinen Freund mehr. Wem kann ich mich anvertrauen, was rätst du mir?«
    Tonda blickt ihn nicht an, auch jetzt nicht. »Geh heim«, sagte er, »und vertraue dem ersten Besten, der dich beim Namen ruft: auf ihn wird Verlass sein. – Und noch eins, bevor ich gehe, ein Letztes! Dass du mein Grab besuchst, ist nicht wichtig. Ich weiß, dass du an mich denkst – das ist wichtiger.«
    Langsam hebt Tonda die Hand zum Gruße. Dann löst er sich auf in den Nebeln – und ohne den Kopf zu wenden, entschwindet er.
    »Tonda!«, ruft Krabat ihm nach. »Geh nicht fort, Tonda! Geh nicht fort von mir!«
    Er schreit es aus tiefster Seele – und plötzlich hört er, wie jemand »Krabat!« ruft. – »Aufwachen, Krabat, aufwachen!«
     
    Michal und Juro standen an Krabats Pritsche, sie beugten sich über ihn.
    Krabat wusste nicht, ob er noch träumte oder schon wach war. »Wer hat mich gerufen?«, fragte er.
    »Wir«, sagte Juro. »Du hättest dich hören müssen, wie du im Schlaf geschrien hast!«
    »Ich?«, fragte Krabat.
    »Es war zum Erbarmen.« Michal fasste nach seiner Hand. »Hast du Fieber?«
    »Nein«, sagte Krabat. »Ich hatte bloß – einen Traum  … « Und dann fügte er hastig hinzu: »Wer von euch hat meinen Namen zuerst gerufen? Sagt mir’s, ich muss es wissen!«
    Michal und Juro erklärten sich überfragt, darauf hätten sie nicht geachtet. »Aber ein nächstes Mal«, meinte Juro, »werden wir an den Knöpfen abzählen, wer dich wecken darf – damit’s hinterher keinen Zweifel gibt.«
     
    Für Krabat stand fest, dass es Michal gewesen sein musste, der ihn als Erster gerufen hatte. Juro, gewiss, war ein braver Bursche, gutmütig durch und durch, aber eben ein Dummkopf. Tonda konnte nur Michal gemeint haben, als sie im Traum miteinander gesprochen hatten. Von nun an wandte sich Krabat an ihn, wann immer er Rat oder Antwort auf eine Frage brauchte.
    Michal enttäuschte ihn nie, bereitwillig gab er ihm Auskunft in allen Dingen. Nur einmal, als Krabat die Rede auf Tonda brachte, wies er ihn ab.
    »Die Toten sind tot«, sagte Michal. »Sie werden nicht wieder lebendig, wenn man von ihnen spricht.«
    Michal war Tonda in manchem ähnlich. Krabat vermutete, dass er dem neuen Lehrjungen heimlich Beistand leistete, da er ihn hin und wieder bei Witko stehen und mit ihm sprechen sah – so wie Tonda vergangenen Winter zuweilen mit Krabat gesprochen und ihm geholfen hatte.
    Auch Juro nahm sich auf seine Weise des Neuen an, indem er ihn ständig zum Essen nötigte. »Iss du nur, Jungchen, iss du nur, was du runterkriegst, dass du groß und stark wirst und Speck auf die Rippen bekommst!«
    In der Woche nach Lichtmess begannen sie mit der Waldarbeit.
    Sechs Burschen, darunter Krabat, sollten die Stämme, die sie im Vorjahr geschlagen und draußen gelagert hatten, zur Mühle schaffen. Das war bei dem hohen Schnee keine leichte Sache. Um sich zum Holzplatz durchzuschaufeln, brauchten sie eine volle Woche – und dies, obgleich Michal und Merten dabei waren, die sich gewaltig ins Zeug legten.
    Andrusch zeigte für solchen Eifer wenig Verständnis. Er tat nur gerade das Allernötigste, um sich warm zu halten. »Wer bei der Arbeit friert, ist ein Esel«, erklärte er, »und wer schwitzt – ein Hornochse.«
    Um die Mittagszeit war es an diesen Februartagen so warm, dass die Burschen sich nasse Füße holten im Wald. Wenn sie abends nach Hause kamen,

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