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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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verwirrt, damit hatte er nicht gerechnet. Als Letzter verließ er den Raum und zog hinter sich die Tür zu. Da wurde ihm unversehens ein Mehlsack über den Kopf gestülpt, dann packte ihn wer bei den Schultern und wer an den Beinen.
    »Ab mit ihm, in die Mahlstube!«
    Das war Andrusch, der da gerufen hatte. Krabat versuchte sich freizustrampeln – vergebens! Lachend und lärmend schleppten die Burschen ihn in die Mahlstube, warfen ihn auf die Mehlkiste und begannen ihn durchzuwalken.
    »Ein Lehrjunge ist er gewesen!«, rief Andrusch. »Nun lasst ihn uns zwischen die Steine nehmen, ihr Brüder – ein Mühlknappe muss ohne Spelz und Makel sein!«
    Sie kneteten Krabat wie einen Brotteig durch; sie rollten ihn auf der Mehlkiste hin und her, dass ihm schwindlig wurde; sie knufften und pufften ihn mit den Fäusten – und einer hieb ihm ein paarmal mit aller Gewalt auf den Schädel, bis Hanzo dazwischenfuhr: »Aufhören, Lyschko! Wir wollen ihn freimüllern, aber nicht totschlagen!«
    Als sie von Krabat abließen, kam er sich vor, als sei er tatsächlich durch eine Mühle gedreht worden. Petar zog ihm den Sack herunter und Staschko streute ihm eine Hand voll Mehl auf den Kopf.
    »Er ist durchgemahlen!«, verkündete Andrusch. »Ich danke euch, Brüder! Nun ist er ein Knappe von Schrot und Korn geworden, dessen sich keiner von uns zu schämen braucht.«
    »Hoch!«, riefen Petar und Staschko, die hier mit Andrusch das große Wort führten. »Hoch mit ihm!«
    Abermals wurde Krabat an Armen und Beinen gepackt, die Mühlknappen warfen ihn in die Höhe und fingen ihn auf. Das taten sie dreimal hintereinander, dann schickten sie Juro um Wein in den Keller und Krabat musste ihnen reihum Bescheid trinken.
    »Deine Gesundheit, Bruder – zum Wohlsein!«
    »Zum Wohlsein, Bruder!«
    Während die anderen weitertranken, setzte sich Krabat abseits auf einen Stapel von leeren Säcken. War es ein Wunder, dass ihm der Schädel brummte – nach allem, was er an diesem Abend erlebt hatte?
    Später kam Michal und setzte sich neben ihn.
    »Du scheinst mit gewissen Dingen nicht klarzukommen.«
    »Nein«, sagte Krabat. »Wie konnte der Meister mich freisprechen! Ist meine Lehrzeit denn schon zu Ende?«
    »Das erste Jahr auf der Mühle im Koselbruch gilt für drei«, meinte Michal. »Es sollte dir nicht entgangen sein, dass du seit deiner Ankunft älter geworden bist, Krabat – genau um drei Jahre.«
    »Aber das ist nicht möglich!«
    »Doch«, sagte Michal. »Auf dieser Mühle sind noch ganz andere Dinge möglich – das solltest du mittlerweile gemerkt haben.«

 
    Wie der Winter begonnen hatte, so blieb er auch: schneereich und mild. Das Eis vor der Schleuse, am Wehr und im Mühlgraben machte den Burschen wenig zu schaffen in diesem Jahr. Rasch war es weggepickelt und manchmal fror eine halbe Woche lang nichts mehr nach. Dafür schneite es oft und reichlich – zum Kummer des neuen Lehrjungen, der mit Schneeräumen kaum noch nachkam.
    Wenn Krabat sich diesen Witko betrachtete – dürr, wie er war, und rotznasig –, wurde ihm klar, dass wohl stimmen musste, was Michal gesagt hatte von den drei Jahren, um die er inzwischen älter geworden war – und dass er es eigentlich längst hätte merken müssen, von selber: an seiner Stimme, an seinem Körper, an seinen Kräften und weil ihm seit Anfang des Winters um Kinn und Wangen ein leichter Flaum spross, nicht weiter ins Auge fallend und doch, wenn man mit den Fingern darüber hinstrich, deutlich zu spüren.
    An Tonda dachte er immer wieder in diesen Wochen, er fehlte ihm überall und es schmerzte ihn, dass er sein Grab nicht besuchen konnte.
    Er hatte es zweimal versucht und war beide Male nicht weit gekommen: Es lag zu viel Schnee im Koselbruch, darin war er stecken geblieben, nach wenigen hundert Schritten schon. Trotzdem blieb er entschlossen, bei nächster Gelegenheit einen dritten Versuch zu wagen – da kam ihm ein Traum zuvor.
     
    Es ist Frühling, der Schnee ist dahingeschmolzen, der Wind hat ihn aufgetilgt. Krabat geht durch den Koselbruch, es ist Nacht und Tag. Der Mond steht am Himmel, die Sonne scheint. Bald muss Krabat beim Wüsten Plan sein – da sieht er im Nebel eine Gestalt auf sich zukommen. Nein, sie entfernt sich. Er glaubt, dass es Tonda ist.
    »Tonda!«, ruft er. »Bleib stehen! Ich bin es – Krabat!«
    Es ist ihm, als zögere die Gestalt einen Augenblick. Wie er dann weitergeht, setzt auch sie ihren Weg fort.
    »Bleib stehen,

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