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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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vom Meister in einen Raben verwandelt wurde! Fröhlich schwirrte er durch die Kammer, er streifte mit seinen Flügelspitzen den Totenkopf und das Zauberbuch. Dreimal musste der Meister »ksch!« machen – dann erst ließ sich der Knirps auf der Stange nieder: ein spannenlanger, drolliger schwarzer Vogel mit munteren Äuglein und aufgeplusterten Federn.
    »Dies ist die Kunst, in Gedanken zu einem anderen Menschen zu sprechen, dass er die Worte hören kann und versteht, als kämen sie aus ihm selbst  … «
    Den Müllerburschen fiel es an diesem Abend nicht leicht, dem Meister zu folgen, weil Lobosch sie ständig ablenkte. Es war lustig, ihm zuzusehen: wie er die Augen verdrehte, den Hals verrenkte und mit den Flügeln schlug. Mochte der Müller doch aus dem Koraktor vorlesen, was er wollte!
    Krabat indessen ließ sich kein Wort entgehen. Er hatte begriffen, wie wichtig die neue Lektion war – für ihn und die Kantorka. Silbe für Silbe prägte er sich die Formel ein. Vor dem Einschlafen dann, auf der Pritsche, sprach er sie so oft nach, bis er sicher war, dass er sie nie mehr vergessen würde.
     
    Am Ostersamstag, bei Einbruch der Dunkelheit, schickte der Meister die Mühlknappen wieder aus, sich das Mal zu holen. Beim Abzählen blieben Krabat und Lobosch als Letzte übrig, der Müller entließ sie mit seinem Schwarzen Segen.
    Krabat hatte im Holzschuppen Decken bereitgelegt, zwei für jeden, weil es sich gegen Abend eingetrübt hatte und nach Regen roch. Da sie die Mühle als Letzte verlassen hatten, drängte er Lobosch zur Eile. Er hielt es für möglich, dass schon zwei andere Burschen zu Bäumels Tod unterwegs sein könnten – eine Befürchtung, die grundlos gewesen war, wie sich herausstellte, als sie zum Holzkreuz kamen.
    Am Waldrand klaubten sie Rindenstücke und Äste auf, sie entfachten ein kleines Feuer. Krabat erklärte dem Jungen, weshalb sie hier draußen säßen, an dieser Stelle, und dass sie nun miteinander die Osternacht wachend am Feuer verbringen müssten.
    Lobosch hüllte sich fröstelnd in seine Decken, er meinte: Bloß gut, dass er nicht allein hier zu sitzen brauchte, sonst könnte es sein, dass er sterben würde vor Angst und dann müsste womöglich ein weiteres Holzkreuz an dieser Stätte errichtet werden, wenn auch ein kleineres  …
    Später sprachen sie von der Schwarzen Schule und von den Regeln, nach denen der Unterricht in der Zauberkunst sich vollzog. Dann schwiegen sie eine Weile; und schließlich kam Krabat auf Tonda und Michal zu sprechen.
    »Ich habe dir ja schon angekündigt, dass ich dir eines Tages von ihnen erzählen würde.«
    Während er Lobosch von seinen Freunden berichtete, wurde ihm klar, dass er selber inzwischen an Tondas Stelle gerückt war – zumindest was diesen Jungen anging, der ihm da gegenübersaß, auf der anderen Seite des Feuers.
    Ursprünglich hatte er vorgehabt, Lobosch von Michals und Tondas Ende nichts zu erzählen, nichts Näheres jedenfalls; doch je länger er von den beiden sprach, auch von Worschula, die auf dem Friedhof von Seidewinkel begraben lag, und dass Tonda behauptet habe, die Mühlknappen aus dem Koselbruch brächten den Mädchen Unheil – je länger er sprach, desto selbstverständlicher fand er es, dass der Junge ein Recht darauf habe, auch das zu erfahren, womit er ihn anfangs hatte verschonen wollen. So kam es, dass Krabat ihm alles erzählte, was zu erzählen war. Nur vom Geheimnis der Messerklinge erwähnte er nichts, um die Zauberkraft, die ihr innewohnte, nicht zu gefährden.
    »Du weißt«, fragte Lobosch, »wer schuld ist an Tondas und Michals Tod?«
    »Ich ahne es«, sagte Krabat. »Und wenn mein Verdacht sich bestätigt, werde ich abrechnen.«
     
    Gegen Mitternacht setzte leichter Regen ein. Lobosch zog sich die Decke über den Kopf.
    »Tu das nicht!«, sagte Krabat. »Dann wirst du die Glocken nicht hören können und den Gesang im Dorf.«
    Wenig später vernahmen sie, wie in der Ferne die Osterglocken zu läuten anhoben, und sie hörten die Stimme der Kantorka von Schwarzkollm herüber: die Stimme der Kantorka und, im Wechsel mit ihr, die anderen Mädchen.
    »Klingt schön«, sagte Lobosch nach einer Weile. »Um das zu hören, kann man sich ruhig nass regnen lassen.«
    Die nächsten Stunden verbrachten sie schweigend. Lobosch hatte verstanden, dass Krabat nicht reden und nicht gestört sein wollte. Es fiel ihm nicht schwer, sich danach zu richten. Was er von Tonda und Michal erfahren hatte, reichte für mehr als

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