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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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    »Heut schon«, sagte Krabat. »Heut dürfen wir auf den Meister schimpfen und ihm die Pest und die Cholera auf den Hals wünschen – oder sogar den Satan, wie du gehört hast: das nimmt er uns heut nicht übel, im Gegenteil.«
    »Nein?«, fragte Lobosch.
    »Wer einmal im Jahr seinem Ärger Luft machen darf«, sagte Krabat, »der schafft es, sich während der übrigen Zeit umso besser in alles zu fügen, was man ihm abverlangt – und das ist, wie du merken wirst, auf der Mühle im Koselbruch eine ganze Menge.«
     
    Krabat war nicht mehr der Krabat von früher. Während der folgenden Tage und Wochen lebte er hinter Sonne und Mond. Er tat, was zu tun war, er sprach mit den Burschen, er antwortete ihnen auf Fragen – aber in Wahrheit war er weit weg von allem, was auf der Mühle vorging: Er war bei der Kantorka und die Kantorka war bei ihm und die Welt wurde immer heller ringsum, immer grüner mit jedem Tag.
    Nie zuvor hatte Krabat darauf geachtet, wie vielerlei Grün es gab, hundert Arten von Grasgrün, von Birken- und Weidengrün, Moosgrün dazwischen, bisweilen mit einem Stich ins Bläuliche, junges, flammendes Grün an den Ufern des Mühlenweihers, an jeder Hecke, an jedem Beerenstrauch – und das dunkle, verhaltene Altgrün der Föhren im Koselbruch, düster zu mancher Stunde, bedrohlich dann und fast schwarz, doch mitunter, zumal gegen Abend, aufleuchtend wie mit Gold gefirnisst.
    Ein paarmal in diesen Wochen, nicht allzu häufig zwar, träumte Krabat auch nachts von der Kantorka. Es war in den Grundzügen immer der gleiche Traum:
    Sie gingen gemeinsam durch einen Wald oder einen Garten mit alten Bäumen, sommerlich warm war es und die Kantorka trug einen hellen Kittel. Während sie unter den Bäumen dahingingen, legte ihr Krabat den Arm um die Schulter. Sie neigte den Kopf herüber, dass er ihr Haar an der Wange spürte. Das Kopftuch war ihr ein Stück in den Nacken gerutscht und er wünschte sich, dass sie stehen bleiben und sich ihm zuwenden würde, weil er ihr dann ins Gesicht hätte schauen können. Zugleich aber wusste er, dass es besser war, wenn sie es nicht tat: dann konnte auch niemand anderer sie erkennen, der etwa die Macht hatte, seine Träume mitzuträumen.
     
    Den Mitgesellen blieb nicht verborgen, dass etwas mit Krabat geschehen war, was ihn von Grund auf verändert hatte – und abermals war es Lyschko, der den Versuch unternahm, bei ihm auf den Busch zu klopfen. Es war in der Woche nach Pfingsten.
    Krabat und Staschko waren von Hanzo beauftragt worden, einen der Mühlsteine nachzuschärfen. Sie hatten ihn neben der Tür zur Mahlstube aufgebockt und vertieften mit ihren Schlageisen die von der Mitte des Steines nach außen führenden Rillen. Sorgfältig setzten sie Schlag an Schlag, dass es scharfe Kanten gab. Staschko war zwischendurch weggegangen, er musste sein stumpf gewordenes Eisen schleifen, das dauerte seine Zeit. Da kam Lyschko des Weges, mit einem Bund leerer Mehlsäcke unterm Arm. Krabat bemerkte ihn erst, als er bei ihm stehen blieb und ihn ansprach: Lyschko schlich immer auf leisen Sohlen umher, selbst dann, wenn es gar nicht nötig gewesen wäre.
    »Na?«, fragte er augenzwinkernd. »Wie heißt sie denn? Ist sie blond oder braun oder schwarzhaarig?«
    »Wer?«, fragte Krabat zurück.
    »Na – die«, meinte Lyschko, »an die du in letzter Zeit immer denkst. Oder glaubst du vielleicht, wir sind blind und merken nicht, dass dir eine den Kopf verdreht hat – im Traum vielleicht oder so  … Ich weiß da ein gutes Mittel, um dir zu helfen, dass du sie treffen könntest: man hat da ja seine Erfahrungen, weißt du  … «
    Er spähte nach allen Seiten, dann neigte er sich zu Krabat herunter und flüsterte ihm ins Ohr: »Du brauchst mir nur ihren Namen zu sagen – dann könnte ich alles Weitere leicht in die Wege leiten  … «
    »Hör auf!«, sagte Krabat. »Ich weiß nicht, wovon du redest. Du hältst mich mit deinen Albernheiten bloß von der Arbeit ab.«
    In der folgenden Nacht träumte Krabat aufs Neue den Traum von der Kantorka, den er nun schon kannte. Wieder gingen sie unter Bäumen dahin und wieder war es ein warmer Sommertag; nur kamen sie diesmal zu einer Wiese, die mitten im Wald lag, und als sie hinaustraten, um die Lichtung zu überqueren – da streifte sie, kaum dass sie ein paar Schritte gegangen waren, ein Schatten. Krabat warf seine Jacke der Kantorka über den Kopf. »Schnell weg hier – er darf dein Gesicht nicht sehen!« Er

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