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Krabat (German Edition)

Krabat (German Edition)

Titel: Krabat (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Otfried Preußler
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als Hanzo das Mahlwerk anhielt: da wurde es still in der Mühle, nur Lobosch war jetzt zu hören.
    »Er hat sich erhängt!«, rief er. »Merten hat sich erhängt! In der Scheune! Kommt schnell, kommt schnell!«
    Er führte sie an den Ort, wo er Merten gefunden hatte: von einem Balken im hintersten Winkel der Scheune hing er herab, einen Kälberstrick um den Hals.
    »Wir müssen ihn abschneiden!« Staschko merkte als Erster, dass Merten noch lebte. »Wir müssen ihn abschneiden!«
    Andrusch, Hanzo, Petar und Krabat: wer von den Burschen ein Messer hatte, klappte es auf. Doch keinem gelang es, an Merten heranzukommen. Er war wie von einem Bannkreis umgeben. Drei Schritte waren das Äußerste, was sie schafften: dann kamen sie keinen Zollbreit weiter, als klebten sie mit den Sohlen an Fliegenleim.
    Krabat fasste die Spitze des Messers mit Daumen und Zeigefinger, er zielte, er warf es – und traf den Strick.
    Er traf ihn, aber das Messer fiel kraftlos zu Boden.
    Da lachte jemand.
    Der Meister war in die Scheune gekommen. Er blickte die Burschen an, als wären sie nichts als ein Haufen Dreck. Er bückte sich nach dem Messer.
    Ein Schnitt – und ein dumpfer Aufschlag.
    Schlaff wie ein Sack voll Lumpen fiel der Erhängte zu Boden. Da lag er nun, lag dem Meister zu Füßen und röchelte.
    »Stümper!«
    Der Meister sagte es voller Abscheu, dann ließ er das Messer fallen und spuckte vor Merten aus.
    Sie fühlten sich alle angespuckt, alle – und das, was der Meister sagte, sie spürten es, galt ihnen insgesamt, ohne Ausnahme.
    »Wer auf der Mühle stirbt, das bestimme ich!«, rief er. »Ich allein!«
    Dann ging er hinaus und nun war es an ihnen, sich Mertens anzunehmen. Hanzo löste die Schlinge von seinem Hals, Petar und Staschko trugen ihn in die Schlafkammer.
    Krabat hob Tondas Messer vom Boden auf und bevor er es in die Tasche schob, rieb er die Schalen des Griffes mit einem Strohwisch ab.

 
    Merten war krank, er blieb es für lange Zeit. Anfangs hatte er hohes Fieber, sein Hals war geschwollen, er litt unter Atemnot. Während der ersten Tage brachte er keinen Bissen hinunter; später gelang es ihm dann und wann, einen Löffel Suppe zu schlucken.
    Hanzo hatte die Burschen so eingeteilt, dass tagsüber ständig jemand in Mertens Nähe war und ihn nicht aus den Augen ließ. Auch Nachtwache hielten sie eine Zeit lang bei ihm, weil sie fürchteten, dass er im Fieber versuchen könnte, sich abermals etwas anzutun. Bei klarem Verstande, da waren sich alle einig, würde selbst Merten nicht mehr zum Strick greifen oder sich sonst wie ums Leben zu bringen trachten: der Müller hatte ja keinen Zweifel daran gelassen, dass dies kein Weg war, um aus dem Koselbruch wegzukommen.
    »Wer auf der Mühle stirbt, das bestimme ich!«
    Die Worte des Meisters hatten sich Krabat tief eingeprägt. Kamen sie nicht der Antwort auf jene Frage gleich, die er sich nach der letzten Silversternacht immer wieder gestellt hatte: wen die Schuld traf an Tondas und Michals Tod?
    Noch war es, bei Licht besehen, nicht mehr als ein erster Anhalt, der sich ihm da geboten hatte: nicht mehr – aber auch nicht weniger.
    Jedenfalls würde er eines Tages, wenn alles geklärt war, den Meister zur Rechenschaft ziehen müssen, das schien ihm so gut wie sicher.
    Bis dahin durfte er sich nichts anmerken lassen. Er musste den Harmlosen spielen, den Braven, Gehorsamen, der von nichts eine Ahnung hatte – und musste doch jetzt schon darauf bedacht sein, sich auf die Stunde der Abrechnung vorzubereiten, indem er sich den Geheimen Wissenschaften mit doppeltem Eifer widmete.
     
    Kein Schnee fiel in diesen Februartagen, aber der Frost hielt mit unverminderter Strenge an. Nun mussten die Mühlknappen wieder allmorgendlich ins Gerinne steigen, das Grundeis vom Boden loszuhacken. Bei jeder Gelegenheit schimpften sie auf die Lausekälte, die dem zur Unzeit eingetretenen Osterwetter gefolgt war.
    An einem der nächsten Tage geschah es, dass um die Mittagszeit sich drei Männer vom Wald her der Mühle näherten. Einer von ihnen war kräftig und hochgewachsen, ein Mensch in den besten Jahren, wie man so sagt; die zwei anderen waren Greise, weißbärtig und verhutzelt.
    Lobosch war es, der sie als Erster bemerkte. Er hatte die Augen ja überall, nichts entging ihm so leicht. »Wir kriegen Besuch!«, rief er den Gesellen zu, die gerade zu Tisch gehen wollten.
    Nun sahen auch sie den Mann mit den beiden Alten. Sie kamen den Weg von Schwarzkollm herüber, bäurisch

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