Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
ihm meine Aufenthaltsgenehmigung zu geben. Dann ging er aus dem Büro, kam nach wenigen Minuten zurück und ich konnte meinen Ohren kaum glauben, als er sagte:
»Signor Iqbal Amir Allah, hier ist Ihre neue Aufenthaltsgenehmigung!«
Bevor ich mich bei ihm bedankte, warf ich einen kurzen Blick auf die ersten Zeilen des Dokuments. Vorname: Iqbal. Nachname: Amir Allah. Ich tat einen tiefen Seufzer; mir wurde wirklich eine große Last von den Schultern genommen. Als wir das Polizeipräsidium verließen, kam mir eine geniale Idee: »Weißt Du was, Signor Amedeo? Meine Frau ist ja schwanger und ich werde bald zum vierten Mal Vater. Ich habe eben entschieden, meinen Sohn Roberto zu nennen. Sein Name wird Roberto Iqbal sein!« Gesagt, getan. Meine Frau hat einen Jungen zur Welt gebracht und ich habe ihn sofort Roberto genannt. Nur so bleibt ihm dieser Ärger mit verdrehten Vor- und Nachnamen erspart. Solche Fehler werden nicht mehr möglich sein, weil Roberto, Mario, Francesco, Massimo, Giulio und Romano alles Vor- und keine Zunamen sind. Ich muss doch mein Bestes tun, um solche schwerwiegenden Probleme von meinem Sohn fernzuhalten. Ein guter Vater kümmert sich um die Zukunft seiner Kinder.
Ich weiß nicht, wo er jetzt ist, aber eines weiß ich ganz bestimmt: Signor Amedeo ist weder ein Immigrant noch ist er ein Verbrecher! Ich bin absolut sicher, dass er unschuldig ist. Er hat sich die Finger nicht am Blut dieses Burschen dreckig gemacht, der nie lächelte. Ich kenne ihn, seit ich an der Piazza Vittorio mein Geld mit Be- und Entladen verdient habe, noch bevor wir unsere Genossenschaft gründeten. Ich kenne auch seine Frau, Signora Stefania, sie ist mit meiner Frau befreundet. Sie half mir, die Wohnung zu finden, wo ich bis heute wohne, weil doch der Hausbesitzer nicht an Immigranten vermieten wollte. Sie hat mich sogar überzeugt, meine Frau zum Italienischunterricht zu schicken. Ich hoffe wirklich, dass Roberto wird wie Signor Amedeo. Jetzt muss ich nur noch entscheiden, ob ich ihn in den italienischen Kindergarten schicke oder in die islamische Schule, wo ihm die Lehren des Korans und die bengalische Sprache beigebracht würden.
Dritter Wolfsgesang
Dienstag, 24 . Februar , 22.39 Uhr
Heute Morgen hat mich Iqbal gefragt, ob ich den Unterschied zwischen einem toleranten Menschen und einem Rassisten kennen würde. Ich antwortete ihm, dass ein Rassist dauernd in Konflikt mit anderen steht, weil er glaubt, sie befänden sich nicht auf seinem Niveau. Der Tolerante dagegen behandelt seine Mitmenschen mit Respekt. Da kam er ganz nah zu mir her – als ob ihn niemand hören dürfte, weil er gerade ein Geheimnis verriet – und flüsterte: »Der Rassist lächelt nicht!«
Ich musste den ganzen Tag an den Rassisten denken, der nicht lächeln will, und mir wurde klar, dass Iqbal eine bedeutende Entdeckung gemacht hat. Ein Rassist hat kein Problem mit anderen, sondern mit sich selbst. Ich würde sogar noch weiter gehen: Er hat für seinen Nächsten kein Lächeln übrig, weil er für sich selbst auch keines hat. Es stimmt schon, was ein arabisches Sprichwort sagt: »Wer nicht hat, kann auch nicht geben.«
Montag , 26. Januar , 22.05 Uhr
Heute Abend habe ich Iqbal in der Nähe der Piazza Venezia getroffen. Er sagte, er leide an einem Magengeschwür. Dann sah er mich traurig an und sagte: »Amir Allah Iqbal wird mich umbringen!« Der Ton, mit dem er das sagte, signalisierte mir, dass es ernst war. Anfangs dachte ich, dass Amir Allah Iqbal jemand sei, der ihn bedrohte und ihn wirklich umbringen wollte. Darum bat ich ihn, mir mehr zu erzählen, damit ich besser verstünde. Wir setzten uns in eine Bar.
»Hast du bei der Polizei Anzeige erstattet?«
»Ich habe mich dort mehrfach beschwert, aber sie haben mich fortgejagt.«
Zum Glück waren meine Befürchtungen nicht von langer Dauer. Iqbal zog die Aufenthaltsgenehmigung heraus und erzählte mir die Geschichte von den vertauschten Vor- und Nachnamen. Lange hielt er sich bei dem Problem auf, dass sich die Namen ähneln und erzählte mir die Geschichte eines Mannes, der in Bangladesh versehentlich aufgehängt wurde, weil sein Name exakt auch der eines gefährlichen Kriminellen war. Er sah mich an und konnte die Tränen eben noch so zurückhalten: »Du kennst mich, Signor Amedeo, ich heiße Iqbal Amir Allah und habe mit einem Amir Allah Iqbal nichts zu tun! Du bist mein einziger italienischer Zeuge, der mich vor den Anschuldigungen bewahren kann, die künftig gegen mich vorgebracht
Weitere Kostenlose Bücher