Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman
habe ich mit Hilfe meines ägyptischen Freundes Metwali einen Ausweg aus dieser Zwickmühle gefunden. Er hat mir geraten, meinen Namen ein wenig abzuändern. Er sagte, die Ägypter würden üblicherweise jeden Abdu nennen, dessen Name mit Abd anfängt: Abdrahman, Abdalkarim, Abdkader, Abdrahim, Abdjabar, Abdhakim, Abdsabour, Abdaraouf. Das habe ich akzeptiert, weil mir diese Lösung all die Probleme vom Hals schafft, von denen ich hier die ganze Zeit rede. Leider Gottes lassen sich Leute mit Vor- oder Nachnamen ansprechen, die von Vielgötterei nur so triefen. Nehmen wir zum Beispiel Iqbal, den Bengalen. Ich habe ihm mehrfach gesagt, dass sein Nachname, Amir Allah, Gotteslästerung ist. Wenn er Arabisch könnte, dann würde er begreifen, dass es zwischen Amir Allah und Amir, der über Allah steht, keinen Unterschied gibt. Möge Gott uns vor Satan schützen!
Ich werde mich nie verleugnen und ebensowenig meine Religion, mein Land oder meinen Namen, da kann kommen, was will! Anders als diese Einwanderer, die ihren Namen ändern, um die Italiener zufriedenzustellen, bin ich ein stolzer Mann. Nehmen wir zum Beispiel mal den Tunesier, der im Ristorante »Luna« am Bahnhof Termini arbeitet. Sein richtiger Name ist Mohsen, aber er will Massimiliano genannt werden, oder er lässt es wenigstens zu, dass sie ihn so nennen. Gott sagt im Koran: »Juden und Christen werden dich erst dann akzeptieren, wenn du ihre Religion annimmst.« Gott der Große hat Recht. Ich kann einfach nicht glauben, dass Menschen ihre Wurzeln verleugnen. Kennen Sie die Geschichte von dem Esel, der auf die Frage nach seinem Vater antwortet: »Das Pferd ist mein Onkel«? Und haben Sie von dem Raben gehört, der den Gang der Taube nachahmen möchte, es aber nach zahlreichen und erfolglosen Versuchen aufgibt und sich dann, als er wieder seine natürliche Bewegungsweise annehmen will, nicht mehr an diese erinnert?
Amedeo ist aus meinem Viertel. Ich kenne ihn und seine ganze Familie sehr gut. Sein jüngerer Bruder war einer meiner besten Freunde. Wir sind zusammen zur Schule gegangen und haben gemeinsam gespielt. Ahmed war in unserem Viertel beliebt und wurde geschätzt. Ich kann mich an keinen Streit erinnern, in den er verwickelt gewesen wäre, obwohl es dauernd Raufereien zwischen den Jugendbanden gab, wie überall in Algier. Ahmeds Unglück begann mit dem Tod seiner Verlobten Bàgia, der Nachbarstochter. Ahmed hat sie geliebt, seit er ein Kind war, und wollte sie heiraten. Aber leider ist dann alles ganz anders gekommen. Bàgia ist ein Mädchenname, der auf Arabisch Freude bedeutet; auch Algier wird so genannt.
Eines Tages war Bàgia aufgebrochen, um ihre Schwester im unweit von Algier gelegenen Boufarik zu besuchen. Auf dem Heimweg geriet der Bus, in dem sie saß, in eine Scheinkontrolle von Terroristen, die sich als Polizisten ausgaben und alle Reisenden niedermetzelten, bis auf die jungen Frauen. Bàgia hat wohl versucht, den Verbrechern zu entfliehen und so einer Vergewaltigung zu entgehen. Sie feuerten eine Maschinengewehrsalve auf sie ab. Ahmed ist über diese Tragödie nicht hinweggekommen. Tagelang hat er sich zuhause eingeschlossen. Dann verschwand er. Im Viertel machten die unterschiedlichsten Vermutungen die Runde: Manche glaubten, er wäre zum Militär gegangen, um im Kampf gegen bewaffnete Fundamentalisten Rache zu üben. Andere glaubten, er hätte sich den Guerillakämpfern in den Bergen angeschlossen, als Zeichen dafür, dass er den Staat ablehnt und verdammt. Es gab auch welche, die sich sicher waren, dass er in der Sahara einer Sufisekte beigetreten ist und jetzt wie ein Tuareg lebt. Und schließlich sagte auch jemand, Ahmed ist verrückt geworden und irrt ziellos und nackt durch die Straßen. Ein Nachbar hat gegenüber Mitgliedern seiner Familie behauptet, Ahmed im Osten des Landes, am Bahnhof von Annaba, erkannt zu haben, als er auf einen Zug nach Tunesien wartete. Ich habe nie verstanden, wieso sich seine Familie nie an die sehr beliebte Fernsehsendung »Alles ist möglich« gewandt hat, in der verschwundene Menschen gesucht werden. Eines Tages fragte ich seine Mutter, Tante Fatma Zohra, ob sie etwas von Ahmed weiß. Sie antwortete nur trocken: »Er ist außerhalb.« Das Wort »außerhalb« hat aber tausend Bedeutungen: außerhalb jeder Vernunft, außerhalb von Algier, außerhalb des Gesetzes, außerhalb des Wirkungsbereichs seiner Eltern oder außerhalb der Gnade Gottes. Ich fand es besser, nicht nachzuhaken und den Deckel auf dem
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