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Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman

Titel: Krach der Kulturen um einen Fahrstuhl an der Piazza Vittorio - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verlag Klaus Wagenbach
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Brunnen zu lassen, wie man bei uns im Volksmund sagt.
    Und eines Tages sah ich ihn auf dem Markt an der Piazza Vittorio, wo ich Fisch verkaufe. Ich rief: »Ahmed! Ahmed!« Aber er hat nicht geantwortet. Mir schien, er hat so getan, als würde er mich nicht kennen. Schließlich hat er mich gegrüßt, aber ziemlich kühl. Er war in Begleitung einer italienischen Frau; erst später habe ich erfahren, dass sie seine Ehefrau ist. Wir sind uns öfter in Dandinis Bar begegnet. Er war gar nicht versessen darauf, Neuigkeiten aus Algerien zu erfahren, deshalb habe ich beschlossen, nicht mehr über Sachen zu sprechen, die mit unserem Land zu tun haben, damit er sich nicht belästigt fühlt. Ich habe es noch nicht einmal gewagt, ihm zu raten, den Namen Amedeo abzulegen und seinen eigentlichen Namen Ahmed wieder anzunehmen, der ja der Name des Propheten ist, Friede sei mit ihm. Man sagt doch, dass es eine Tugend ist, zu seinen Wurzeln zurückzukehren!
    Ahmed oder Amedeo, wie Sie ihn nennen, arbeitete in Algier beim Obersten Gerichtshof als Übersetzer aus dem Französischen ins Arabische. Er hat eine Wohnung in Bab Azouar gekauft, wo er nach der Hochzeit mit Bàgia wohnen wollte. Aber das Schicksal hatte anderes mit ihm vor. Wie Sie sehen, ist die Geschichte von Ahmed Salmi ziemlich simpel und gar nicht so verworren. Die Wahrheit liegt woanders, jedenfalls nicht dort, wo Sie sie bisher gesucht haben. Da sind gar keine besonderen Geheimnisse oder verschlungenen Begebenheiten in dem Leben, das er vor Rom hatte.
    Seit Jahren verkaufe ich Fisch. Für mich gibt’s keinen Unterschied zwischen einem Leben als Fisch und dem als Einwanderer. Ich kenne da ein Sprichwort, das die Italiener sehr häufig gebrauchen: »Ein Gast ist wie ein Fisch, er bleibt nicht lange frisch.« Ein Einwanderer ist ein Gast, nicht mehr und nicht weniger. Und er ist wie ein Fisch. Man isst ihn frisch, und wenn er seine Farbe verliert, schmeißt man ihn in die Mülltonne. Es gibt zwei Typen von Einwanderern: den Frische-Typ, der unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Fabriken des Nordens oder auf den Feldern des Südens ausgenutzt wird; und den Tiefkühl-Typ, der in den Gefriertruhen herumliegt und den man nur im Notfall verzehrt. Wissen Sie, wie Gianfranco, der Besitzer des Ladens, in dem ich arbeite, die jungen Frauen aus Osteuropa nennt, die ihren Körper für wenig Geld verkaufen? Frischfisch!
    Gianfranco ist über sechzig, verheiratet und hat vier Kinder, die alle älter sind als ich. Sein Lieblingshobby ist es, abends im Auto die Appia Antica rauf- und runterzufahren und nach jungen Frauen aus Nigeria oder Osteuropa Ausschau zu halten, die höchstens 20 Jahre alt sind und häufig noch viel jünger. Dann verbringt er eine gute Stunde mit dem frischen Fisch – so nennt der das Mädchen, das gerade dran ist –, um später in die Arme seiner Frau zurückzukehren. Vor seinen Freunden macht er sie unmöglich und nennt sie Tiefkühlfisch – weil es immer ein bisschen dauert, bis sie auftaut, sich erhitzt und gebraucht werden kann. Gianfranco, das alte Schwein, wie ihn seine Freunde nennen, hat die Angewohnheit, jeden Tag mit ihnen auf der Türschwelle seines Ladens zu sitzen und ihnen unter den verwunderten Blicken seiner Kundschaft haarklein von den Begebenheiten des Vorabends zu berichten. Häufig werden seine Erzählungen von schmierigem Gelächter und von obszönen Kommentaren begleitet wie »Gianfranco, du altes Schwein! Gianfranco, du Riesenschwein!« Und der Unglückliche regt sich noch nicht mal über solche Schimpfwörter auf, weil nämlich ein Schwein in Italien das Symbol für Männlichkeit ist. Nein, er ist sogar stolz darauf!
    Nicht, dass Sie denken, ich hätte das Thema gewechselt; ich spreche immer noch von Ahmed. Würde ich hören, dass mich jemand Schwein nennt, dann würde ich ihm die Zunge abschneiden, weil das Schwein oder Hallouf, wie wir sagen, widerlich ist und rein gar nichts mit Manneskraft oder Männlichkeit zu tun hat. Im Gegenteil, das ist sogar die allerschlimmste Beleidigung. Das Schwein ist ein schmutziges Tier und lebt im Müll. Ich verstehe nicht, warum sowas wie der Schweinewahnsinn noch nicht ausgebrochen ist. Warum hat diese gefährliche Krankheit bisher nur die Rinder befallen? Das würde mich echt mal interessieren.
    Haben Sie verstanden, worin der Unterschied zwischen uns und denen besteht? Ahmed hat die grundlegenden Unterschiede zwischen unserer Religion und der von Gianfranco nicht so richtig begriffen. Ich

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