Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)
Handflächen.
Wie schön es sein kann, sich selbst zu fühlen.
Bald schon wird alles darauf zusammenschrumpfen. Nur noch Körper sein, ohne tiefschürfende, geistige Aktivität.
Georg sitzt und wartet. Dann hört er die Tür.
Nie hat er sich vorstellen können, dass Schritte ihn erregen könnten, aber diese tun es. Kein betont schweres Trampeln, kein heimliches Schleichen - feste, ruhige
Männerschritte. Im Näherkommen gewinnen sie an Autorität. Für Georg vermitteln sie Sicherheit und wecken Vertrauen. Dieser Mann weiß, was er tut.
Noch bevor sich eine Hand zwischen seine Schulterblätter legt, läuft eine erste glückliche Gänsehaut über Georgs Rücken. Der Lederhandschuh ist weich und ein
bisschen kühl, vor allem aber sehr präsent.
Ausatmen, und dann der nonverbalen Aufforderung folgen.
“Minotaurus”, nennt Georg sein Codewort für den Abbruch der Sitzung. Er hat es noch nie gebraucht.
Die Hand wandert zu seinem Oberarm. Ruhig, aber bestimmt zieht sie ihn auf die Füße, lenkt ihn vorwärts.
Er folgt.
Beim ersten Mal hatte er Angst, zu stolpern, obwohl er wusste, dass nichts im Weg liegen konnte. Inzwischen gelingt es ihm, sich der fremden Führung ohne Zweifel zu ergeben.
Sie sind sich nah genug. Einmal mehr versucht Georg, einen Eindruck des anderen Mannes zu gewinnen, dreht kaum merklich den Kopf. Ein vager Duft nach Duschgel ist zu ahnen.
Die Finger am Arm greifen fester zu.
Wenig später findet Georg sich zu einem menschlichen X aufgespannt. Die Ledermanschetten an den Handgelenken haben altmodische Schnallen. Sie zerren seine Arme auf nicht unbequeme Art
schräg nach oben, die Hände haben Spiel. Mit den Fingern befühlt Georg die kühlen Ketten, die ihn in Position halten.
Auch die Füße sind zu mehr Abstand verdammt, als sie normalerweise einnehmen würden. Um die Knöchel liegen breite Lederschlaufen, die kaum mehr als ein paar Zentimeter
Bewegungsfreiheit gewähren.
Noch steht Georg sicher.
In seinem Kopf kreisen Bilder von diesem Nackten, der er ist. Alles an ihm ist exponiert, frei zugänglich für nahezu jede Art der Behandlung. Beinahe kann er die Blicke des anderen auf
sich spüren.
Was mag sein Betrachter sehen? Ob ihm gefällt, was er sieht? Nicht, dass es eine Rolle spielte. Georg weiß, dass er einen schön proportionierten, gepflegten Körper besitzt.
Sein Penis zuckt und füllt sich noch ein bisschen mehr.
Was immer gleich geschehen wird - Georg ist mehr als willens und bereit, es zu ertragen.
Hier wird nicht gestreichelt und gekost, dennoch giert er, während er den Schritten lauscht, die ihn umkreisen. Und schließlich hinter ihm stehen bleiben.
Es faucht in der Luft, dann klatscht das Paddel auf das linke Schulterblatt. Nicht heftig genug. Georg stöhnt dumpf und sehnsüchtig. Drückt den Rücken durch, rollt den Kopf
im Nacken, um Bereitwilligkeit zu zeigen.
Die Schläge wandern, werden aber nicht stärker. Auf der Rückseite der Oberschenkel sind sie kaum mehr als ein Streifen, erst auf Bauchdecke und Brust ist mehr Kraft darin zu
spüren. Leise, kurze Schreie und abgehaktes Keuchen attestieren die gewünschte Wirkung.
Trotz Augenbinde kneift Georg die Lider zusammen, wann immer das Werkzeug seine Haut trifft. Es ist ein feiner, klar begrenzter Schmerz, und er genießt ihn. Der gleichmäßige
Takt ermöglicht es, sich auf den Reiz vorzubereiten, ihm freudig entgegenzusehen.
Langsam löst sich ein wenig Spannung in Georg. Nicht denken. Höchstens die Vorstellung geröteter Haut entwickeln. Spüren, wie der erhöhte Puls gegen die Lederriemen
puckert und dabei lächeln.
Lang ist die Pause nicht, die man ihm unnötigerweise zugesteht. Sie reicht, um die Sohlen wieder sicher aufzustellen, die Schultergelenke und Knie ein wenig zu bewegen und dabei fasziniert
das Spannen in den gereizten Partien zu bemerken.
Erst, als Georg stillsteht, zischt es seitlich von ihm. Die Gerte prallt lang, schmal und scharf auf die geschlagenen Stellen. Schnell und ohne Rhythmus sirrt das Gerät, und Georg schreit.
Hell und deutlich lauter als zuvor, wie ein Echo zum Stakkato der Schläge.
Instinktiv will sein Körper ausweichen, sobald die zierliche Peitsche zischend die Luft zerschneidet. Der Fluchtreflex wird stärker, als die Hiebe zunehmend willkürlicher
über seinen Leib tanzen.
Georg krallt sich um die Ketten, spürt das Vortreten seiner Armmuskeln, will sich hoch- und wegziehen. Er wird am Boden festgehalten, gellt den Schmerz aus sich heraus und will
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