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Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Titel: Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad , Jannis Plastargias , C. Dewi , Gerry Stratmann
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strategischen Verkaufsargumenten herumgequält, seine letzten Bilanzen durchdacht und sich letztlich durch einen Albtraum der Extraklasse
gekämpft.
    Die Horrorvision, nackt vor Steinschlag und Lawinen zu flüchten, nur um am Ende davon eingeholt und zermalmt zu werden, sprach Bände.
    Inzwischen war der Druck aus der Führungsetage für Georg physisch spürbar - hinter den Schläfen, auf den Schultern, im Bauch. Seine Hände hatten unmerklich, aber
stetig gezittert, bis man ihm am Telefon den dringend benötigten Termin bestätigte. Danach wurde es besser.
    Noch am gleichen Abend rief er Sam an, um sich für seine Übellaunigkeiten zu entschuldigen. Entgegen seiner Befürchtung drang sein Freund nicht darauf, den folgenden Abend
gemeinsam zu verbringen.
    “Wir sind gerade ziemlich unterbesetzt. Und ich fürchte, heute Nacht wird es hier rundgehen. Bis jetzt habe ich zwei in den Wehen. In acht Stunden starten wir eine Einleitung.
Hoffentlich bleibt sonst alles ruhig, denn wenn uns ein Notfall dazwischen kommt, wird’s eng. Und ich lasse keinen Anfänger an eine Sectio, wenn es schnell gehen muss. Die Hebammen
können auch nicht alles alleine machen. Ist es okay, wenn ich dich Samstag anrufe? Dann hab ich mich hoffentlich ausgeschlafen und bin voller Tatendrang.”
    Ein leises, warmes Lachen perlte durch das Telefon, und Georg lächelte. Er liebte dieses Lachen, er liebte Sams Stimme, seinen Humor und die Art, wie er zu seiner Arbeit stand.
    Anfangs war es ihm merkwürdig vorgekommen, dass ein schwuler Mann als Gynäkologe arbeitete. Inzwischen konnte er zumindest im Ansatz verstehen, was es bedeutete, neues Leben auf die
Welt zu holen. Wenige Ärzte werden so häufig dankbar angelächelt wie jene, die frischgebackenen Eltern ihren Nachwuchs präsentieren. Abgesehen davon war es ein
marktwirtschaftlich unabhängiger Berufszweig. Unterbezahlt, aber krisensicher.
    Erleichtert, keine Ausrede für seinen verplanten Freitagabend erfinden zu müssen, plauderte Georg noch ein bisschen mit seinem Freund und wünschte ihm dann eine ruhige Nacht.
    Danach kam er zum ersten Mal seit Wochen ohne Schweißausbrüche und zusammenfantasierte Kündigungsszenarien durch den Schlaf.
     
    Nur noch ein paar Stunden. Immer wieder geht der Blick zum Handgelenk, hält sich für eine halbe Runde am Sekundenzeiger fest, um sich dann zurück auf den Bildschirm zu
zwingen.
    An Freitagen sind die meisten Kollegen guter Dinge und freuen sich auf das Wochenende, aber dieser Luxus ist Georg längst verloren gegangen. Abzuschalten, die Angst vor der nächsten
Auswertung für ein paar Stunden beiseitezuschieben, gelingt ihm nach Wochen wie dieser nicht mehr aus eigener Kraft.
    Alles, was ihn umgibt, scheint böswillig auf ihn einzustürmen - der Geruch des Kaffees auf dem benachbarten Schreibtisch, die undeutlichen Stimmen aus dem Sekretariat. Die Blicke
des Abteilungsleiters, das schwitzige Gefühl an seinen Fingern und dem Bleistift dazwischen. Alles scheint ihn zu jagen, wie ein Nagetier im Laufrad.
    Funktionieren. Konzentrieren. Immer nach vorn, immer weiter. Pausen sind gefährlich, Pausen bedeuten Stillstand.
    Georg kann es sich nicht leisten, den Anschluss zu verpassen. Kann nicht verantworten, dass seine Zahlen unterhalb der Normkurve verlaufen. Kann nicht lockerlassen und aufhören, über
Optimierung und Versagen nachzudenken. Kann demnächst gar nichts mehr.
    Die Flucht in den Waschraum verschafft Linderung. Kaltes Wasser im Gesicht und auf den Handgelenken, die Illusion von Stille.
    Als Georg die Augen schließt, fühlt er sich für diesen winzigen Moment weniger gehetzt. Aber das Rauschen im Waschbecken, der Geruch des Reinigungsmittels und die gedämpften
Geräusche von jenseits der Tür zerren an seinen Sinnen, sticheln und reiben sein wundes Nervenkostüm. Tapfer sieht er seinem Spiegelbild entgegen. Sicher liegt es nur am Kunstlicht,
wenn er krank, blass und augenumschattet wirkt.
    Noch ein Blick zur Uhr. Bald.
     
    Und dann ist es geschafft. Georg seufzt erschöpft, erlöst, erwartungsvoll, als sein Wagen in die Tiefgarage rollt. Ab jetzt wird es besser. Morgen früh wird er aufwachen, und ein
großer Teil der Last auf seinem Gewissen, seinem Ehrgeiz, seinem Pflichtgefühl wird wie fortgespült sein - zumindest für zwei oder drei Tage.
    Im Foyer offeriert ihm eine Blondine das obligatorische Sektglas. Es scheint die gleiche junge Frau zu sein, die ihn beim letzten Mal begrüßt und auf eines der dunklen

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