Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)
ist.
Ob er weiß, was er mir antut? Wie wenig mir der Ausflug in die Bar nützt, wenn er hinterher in all seiner wunderbaren Perfektion vor mir steht?
Er setzt sich neben mich. Seine Lippen wischen über meine Schläfe. Die unverhohlene Zärtlichkeit, mit der er nach meiner Hand greift und mit dem Daumen meine Finger streichelt,
treibt mir die Tränen in die Augen.
Die Welt steht Kopf. Ich komme aus einer dreckigen Bar, wo ich zwei großartige Blowjobs einkassiert habe, und er streichelt mir tröstend die Hand.
Wie eng unser Band ist, zeigt sich, als er die Beine auf die Couch zieht und sie um mich schlingt. Ich kann mich an ihn lehnen, spüre sein lebloses Glied an meiner Seite und lehne den Kopf
an seinen.
Antonio fährt mir über den Rücken. Sein Geruch hüllt mich ein; versetzt mit einer feinen Note Basilikum. Dieses Mal treibt mich der Duft des Krauts nicht von ihm fort. Er
lässt mich tiefer in seine Umarmung kriechen. Mich an ihn klammern. Mein nasses Gesicht an seinem bloßen Oberarm abwischen.
„Dir geht’s wohl nicht besser, hm?“, flüstert er und drückt mich an seine Brust. Er weiß genau, warum ich so spät bin. Seine Hände sind so sanft, so
liebevoll. Er stockt, als er bemerkt: „Was hältst du davon, wenn ich morgen zum Arzt gehe und meinen Hormonspiegel testen lasse?“
Ich nicke, an seine warme, samtige Haut gelehnt. Auch ihn belastet die Situation.
Ob er wohl Angst hat, dass ich ihn verlassen könnte? Ob er sich fragt, ob er mich verliert, wenn sich nichts ändert? Ich glaube nicht. Denn genau, wie ich in dieser Sekunde nirgendwo
anders als in seiner Umarmung sein will, will er morgens neben niemandem außer mir aufwachen. Das ist eine Konstante, die weit über Sex hinausgeht.
Es wird sich nichts ändern. Ich weiß es. Er hat oft davon gesprochen, seinen Hormonspiegel testen zu lassen, aber er hat es nie getan. Nicht Bösartigkeit ist es, die ihn den
Termin beim Arzt regelmäßig verschieben und hinterher vergessen lässt. Es ist der Mangel an Interesse, der am Anfang unseres Teufelskreises steht. Er will nicht, und ich kann ihn
nicht zwingen.
Ich bin undankbar, denn er gibt mir alles, was ich mir wünschen kann; abgesehen von dieser einen Sache.
Manchmal denke ich, dass der Sex eines Tages unser Sargnagel sein wird. Ich fürchte mich davor, weil ich keinen Weg sehe, unserem Dilemma zu entfliehen. Gleichzeitig kann ich mir nicht
vorstellen, dass ich je auch nur einen Tag ohne Antonio verbringen will. Oder eine Nacht.
Er berührt mein Kinn und zwingt es sanft zu sich hoch. Seine Finger riechen so gut, ich würde mich am liebsten in ihnen verlieren.
Als er mich küsst, liegt kein sexuelles Verlangen darin. Nur endlose Zärtlichkeit und Liebe. Und das ist bei genauerer Betrachtung mehr, als viele andere haben.
Levi Frost
Unter Feuer
- Ingwer -
Es ist einer dieser Tage, die Georg nur deshalb erträgt, weil er weiß, wie sie enden.
Seit Anfang der Woche pocht es von früh bis spät in seinem Schädel. Jedes Geräusch ist zu laut, jede Farbe zu grell, jeder Duft zu intensiv. Die ganze Welt wird von Minute zu
Minute unerträglicher. Er selbst wird immer unerträglicher, und das macht es wirklich schlimm.
Montag, nachdem die Verkaufszahlen des letzten Monats in großer Runde ausgewertet und er kräftig ermahnt worden war, hatte er Sam zu Hause ununterbrochen angezickt. Dabei war es ihr
erster gemeinsamer Abend seit drei Wochen gewesen.
Kein Wunder, dass sein Freund danach lieber Zusatzschichten in der Klinik übernahm und sich spontan in den dienstäglichen Nachtdienst tauschte.
Mittwoch früh war Georg ein vielversprechender Abschluss gelungen, später geriet er jedoch mit einem Kollegen aneinander. Vielleicht lag es an seiner gereizten Grundstimmung und
wäre vermeidbar gewesen, aber am Ende des Tages half diese Theorie nicht mehr.
Viel zu erschöpft, um sich über Sams Stimme auf dem Anrufbeantworter zu freuen, war Georg durch seine Wohnung gestapft und hatte vor sich hingeschimpft. Auf den streitsüchtigen
Kollegen und diesen gottverdammten Job, der ihn auffraß und ihm jede ruhige Minute raubte. Genervt von sich selbst und seiner dürftigen Stressresistenz hatte er Sams Einladung ins Kino
abgesagt. Er fand sich zum Wegrennen.
Donnerstagmorgen war Georg klar, dass er eine Sitzung brauchte. Wenn er in den nächsten Tagen nicht die Chance auf professionell unterstützte Entspannung bekam, würde er
zusammenbrechen. Die ganze Nacht hatte er sich mit
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