Kräuterkunde
überzogen sein, so daß der Betroffene in einer Streßsituation einschläft.
Die gelegentliche Anspannung, die Aktivierung des sympathetischen Nervensystems, ist ganz natürlich und stellt an sich keinen Streß dar. Im Gegenteil, wie wir vom Sport her wissen, hat sie sogar eine günstige Auswirkung auf das Immunsystem und macht wach. Ein Problem entsteht erst, wenn die Spannung anhält und nicht abreagiert werden kann, etwa wenn eine ansonsten schon boshafte Ehegattin nun auch noch den abendlichen Wirtshausbesuch verbietet, oder wenn man sich nach einem hektischen Arbeitstag unter der Fuchtel eines neurotischen Vorgesetzten auch noch durch den Stau kämpfen muß und zu Hause dann wie immer die Hölle los ist. Auch die abendliche »Entspannung« vor der Glotze ist Streß, wie Blutdruckmessungen ergeben haben.
Langanhaltender Streß und aufgestaute Frustrationen führen zu ununterbrochener sympathetischer Reaktion. Es ist vorherzusehen, daß das schwächste Glied der Kette reißen, das empfindlichste Organ erkranken wird. Die Symptome reichen von Krampfadern, Hormonstörungen, Verminderung der Sehstärke, Herzbeschwerden, Heuschnupfen, Verdauungsproblemen bis zu Potenzschwierigkeiten und Frigidität. Wo immer der schwache Punkt liegt, in jedem Fall hält der Makrokosmos, hält Mutter Gaia Heilkräuter bereit, die dem angeschlagenen Mikrokosmos helfen können. Die Werke von Pfarrer Kneipp, Prof. R. F. Weiß, Kräutermutter Treben, dem Findhorn Herbalisten David Hoffman und anderen haben da etliches zu bieten. Es wäre müßig, die vielen Venenmittel, Herz-, Lungen-, Nieren- und Verdauungskräuter hier noch einmal aufzuzählen.
Es ist zwar unerläßlich, die einzelnen angeschlagenen, geschwächten Organe oder Körpersysteme mit den Kräften der Heilkräuter zu unterstützen, aber das rührt noch nicht an der Ursache, wenn diese Dauerstreß heißt. Der Patient sollte sein ganzes psychisches und soziales Umfeld orten und seine Einstellung dazu oder die Situation selbst verändern. Als hilfreich erweisen sich auch nervenstärkende und nervenentspannende Kräuter.
1. Baldrian (Valeriana officinale)
Baldrian war den Alten vor allem als Liebesmittel bekannt. »Mann und Weib sollen es zusammen in Wein nehmen, das macht gut Freundschaft!« schreibt der alte Kräutermann Brunfels. Außerdem vertreibe es Hexen, die einem Unglück und Krankheit anzaubern wollen, und halte Pest und Teufel fern. In Schweden heißt es, es vertreibe den Neid der Elfen.
Interessanterweise wurde die beruhigende Wirkung dieser duftenden Waldpflanze erst im Maschinenzeitalter von einem englischen Kräutermann namens John Hill entdeckt; Man könnte sagen, der Baldrian-Deva offenbarte diesen Aspekt seines Wesens erst, als die gestreßten Menschen es wirklich nötig hatten. Hufeland verschrieb den Tee als »eines der besten Nervenmittel... Ich habe langwierige Nervenschäden, Hysterie und Krämpfe aller Art verschwinden sehen.«
Die Indikationen der Pflanze sind Schlafstörungen, Spannungs- und Erregungszustände, Wechseljahre, Depressionen und vegetative Dystonie, die sich in nervösem Herz-Kreislaufbeschwerden äußert. Schon in der Antike erkannte man die positive Wirkung auf die Sehkraft der Augen, die ja unter anderem von psychischen Faktoren abhängt. Vor allem bei geistiger Überarbeitung leistet Baldrian gute Dienste.
Die Wirkung der Pflanze ist eine
amphoterische
(nach der griechischen Amphorta, der Vase mit zwei Henkeln), das heißt, sie wirkt in zwei Richtungen: Sie beruhigt Unruhige und regt Erschöpfte an.
Die korrekte Zubereitung ist ein Kaltwasserauszug, wobei man die kleingeschnittenen Wurzeln, zwei Teelöffel pro Tasse, acht Stunden lang ziehen läßt.
2. Herzgespann oder Löwenschwanz (Leonurus cardiaca)
Der Herzgespanntee wirkt beruhigend, krampflösend und vor allem herzstärkend. Er ist angesagt bei nervösen Herzbeschwerden, bei verzögerter oder gehemmter Monatsblutung, die von Angst und Spannungszuständen herrührt, und in den Wechseljahren.
3. Helmkraut (Scutellaria lateriflora)
David Hoffmann, der Kräuterexperte der Findhorn-Gemeinschaft, nennt das Helmkraut »wahrscheinlich das wichtigste Nervenmittel, das uns in der Heilkunde zur Verfügung steht«. (
Hoff mann 1985
) Der Tee wird verschrieben zur Beruhigung von nervösen Spannungszuständen, auch prämenstruellen Spannungen, bei hysterischen Anfällen, Epilepsie und akuten Depressions- und Erschöpfungszuständen. Er läßt sich gut mit Baldrian kombinieren. Bei
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