Kräuterkunde
so daß sich die Frau, die an ihrem langen Zopf riecht, oder der Mann, der in seinen Bart hineinschnuppert, die Pflanze, mit der sie oder er es zu tun hatte, noch lange vor das geistige Auge zaubern kann.
Haare nehmen Schwingungen, die Botschaften der Umgebung in Form von unter- und oberschwelligen Düften auf. Aus diesem Grund ist es auch verständlich, daß die meisten Pflanzenschamanen Parfüm, Puder, Seifen mit starken künstlichen Düften und Sprays meiden. Diese würden die Botschaften blockieren oder verfälschen. Wie wir gesehen haben, ist die Nase eines der wichtigsten Werkzeuge des Schamanen. Mit ihr erschnuppert er den Krankheitsherd oder die Eigenschaft einer Heilpflanze. Er kann es sich nicht erlauben, diesen feinen Sinn abstumpfen zu lassen.
Pflanzenschamanen scheinen sehr religiös zu sein, und dennoch halten sie sich oft von Kirchen, Tempeln, Moscheen oder Synagogen fern. Sie reden wunderliches Zeug von Gott, den Engeln, Geistern, Totengeistern, Elfen und Wichteln, aber mit Theologie hat das meist wenig zu tun. Weil sie direkt mit den Übersinnlichen verkehren, brauchen sie die vermittelnde Rolle des Priesters nicht. Sie brauchen auch keine konventionellen Rituale. Sie machen ihre eigenen Rituale und Zeremonien, nicht nach einem abstrakten, erlernten Katechismus, sondern auf unmittelbare Anweisung der Devas. »Nicht du erfindest die Rituale, mit denen du die Pflanzengeister ansprichst, sondern sie selbst geben dir ein, wie du mit ihnen verkehren sollst«, erklärte mir mein guter Freund Tallbull, der Botschafter des Stammes der Tsistsistas (Cheyenne).
Das soll jedoch nicht heißen, daß die Schamanen Feinde der etablierten Religionen sind. Ganz im Gegenteil. Wie die beiden Kräuterpfarrer, Kneipp und Künzle, Maria Treben und die Pilzschamanin Maria Sabina sind sie oft sehr fromm. Aber ihre Frömmigkeit geht weit über die konventionelle Frömmigkeit hinaus, sie kommt mehr aus dem Wissen als aus dem Glauben. Schon immer mußten diese »Wissenden« sich hüten, nicht als Hexen verleumdet zu werden. Und da sie wirklich mit den Geistern umzugehen wissen und die Kräfte der Pflanzen kennen, kommt es oft vor, daß die Leute sie fürchten. Denn wie kann man sicher sein, daß sie ihre Kräfte nicht auch einsetzen, um Schaden zu zaubern oder zu töten? Das kommt bei echten Pflanzenschamanen jedoch selten vor. Sie wissen, daß alles, was man tut, auf einen zurückkommt. Es ist vor allem die Liebe zur Natur und zu den Geschöpfen, die sie in ihrem Tun leitet.
Trank und Nahrung
Auch was Essen und Trinken betrifft, geben sich Pflanzen schamanen eher unkonventionell. Manche indischen Sadhus ernähren sich fast ausschließlich von den Wurzeln, Samen, Blättern und Früchten wildwachsender Pflanzen. Sie behaupten, daß sie dadurch die Kraft erhalten, göttliche Visionen (
Darshana
) zu empfangen. Eine mir persönlich bekannte Frau aus Rajastan, deren Ehe kinderlos geblieben war, suchte ihrem Mann eine andere Gattin und »warf ihr Leben weg«, gab es ganz der Göttin anheim, indem sie in den Dschungel ging und nur noch von Blättern und Wurzeln lebte. Nach einigen Jahren erschien ihr die Göttin in großartiger Vision, und die einfachen Dorfbewohner, die ihr begegneten, sahen die Göttin (Durga) aus ihren Augen schauen. Sie bekam immer mehr Zulauf von Leuten, die ihren Segen empfangen wollten. Man baute ihr einen Ashram und fütterte sie dermaßen (aber nur mit rituell reinem Essen), daß sie nun zu einem Koloß von 200 Kilo wurde. Aber die Göttin strahlt noch immer aus ihren Augen.
Wildpflanzen geben uns in der Tat viel Kraft, sie geben uns die Energie, geistige Bilder zu schauen und mit den Übersinnlichen zu kommunizieren.
Jede Pflanzenart benutzt die einströmenden kosmischen Impulse auf ihre besondere Art und Weise. Indem wir eine Pflanze als Nahrung zu uns nehmen, nehmen auch wir die in ihr enthaltenen kosmischen Energien auf. Die wenigen verbliebenen Naturvölker ernähren sich, ebenso wie es unsere paleolithischen Vorfahren taten, von einem vielfältigen Wildpflanzenangebot. Neueren ethnobotanischen Untersuchungen zufolge werden bei Stammesvölkern, etwa bei den Kung-Buschleuten oder den Schoschonen, zwischen 300 und 2000 verschiedene Arten gesammelt und gegessen. Dadurch nehmen diese Menschen ein weites Spektrum differenzierter Energien, Botschaften aus dem Kosmos, auf. Der moderne Zivilisationsmensch ernährt sich dagegen von durchschnittlich zwanzig verschiedenen Pflanzenarten. (Man achte mal auf
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