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Kräuterkunde

Kräuterkunde

Titel: Kräuterkunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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essen«, sagen sie dem Tierwesen. Ansonsten erschwert Fleisch allzuhohe geistige Ausflüge und dämpft die Schwärmerei.
    Wir können also sagen, daß es keine festen Regeln gibt, was die Diät des Pflanzenschamanen betrifft. Er weiß, daß alles, was er zu sich nimmt, Einfluß auf sein Bewußtsein und seine Körperverfassung hat. Also handhabt er diese Dinge, wie er es für nötig hält. Über Speis und Trank und alles, was er sonst noch durch die Leibespforten und die Sinne einläßt, stimmt er seine Schwingungen jeden Tag so ein, wie er sie braucht.
Magische Kräutersammelregeln
    Vor jedem Sammelausflug verbindet sich der Pflanzenschamane erneut mit seiner ursprünglichen Vision. Da ich dieses Thema anderswo ausführlich behandelt habe, werde ich es hier nur kurz skizzieren. (
Storl 1997
) Für den nordamerikanischen Indianer kann das bedeuten, daß er ein Schwitzbad nimmt und seine Medizinlieder singt. Für die europäische Kräuterfrau besteht die Vorbereitung im auf richtigen Gebet und im Beachten von Zeichen und Träumen. Vielerorts, etwa in Ost- und Südasien, bereitet sich der Pflanzenkundige durch Askese auf die Begegnung mit den Pflanzendevas vor – durch längeres Fasten oder wenigstens Verzicht auf Fleisch, durch anhaltendes Wachbleiben oder auch durch sexuelle Enthaltsamkeit.
    Oft, aber nicht immer, spielen auch psychotrope Pflanzen eine Rolle bei der Einstimmung auf die übersinnliche Ebene, auf der die Begegnung mit dem Pflanzengeist oder den helfenden Elementarwesen möglich ist. Bei den Amazonasindianern ist es Yahe (Ayahuasca), in Mittelamerika sind es oft Pilze, in Afrika der Iboga-Strauch, in Südasien und anderswo kann es Cannabis sein. Manchmal werden diese Hilfsmittel nur während der Schulung neuer Schamanen genutzt, um dem Neophyten eine neue Sicht der Wirklichkeit zu vermitteln. Später, wenn er die Wege ins Geisterland kennt, kann sich der Schamane auch ohne die Hilfe dieser Zauberpflanzen in die jeweiligen Bereiche begeben.
    Hier nun einige uralte Regeln, die beim Sammeln wichtiger Pflanzen beachtet werden. Jeder Kulturkreis, außer unserer heutigen Zivilisation, kennt ähnliche Regeln. Sie sind universal und enthalten ähnliche strukturelle Motive, die den Schluß zulassen, daß es sich dabei um Überlieferungen handelt, die sich bis in die Steinzeit zurückverfolgen lassen. Es sind magische Techniken, die dazu führen, daß der Kontakt mit dem Pflanzengeist hergestellt und der Segen dieses übersinnlichen Wesens erlangt wird. Die Indianer haben diese Techniken vor Zehntausenden von Jahren mit in die Neue Welt gebracht.
    1. Überall auf der Welt sucht man sich den richtigen Zeitpunkt aus, um zu den Pflanzen zu gehen. Meistens ist es vor Sonnenaufgang, vor allem bei Neumond. Manchmal wird der Zeitpunkt durch Sterne (wie Sirius oder Aldebaran) bestimmt, die gerade über den Horizont steigen.
    2. Man geht »wie ein neugeborenes Kind«, splitternackt, ungewaschen (oder wenigstens barfuß), ohne etwas gegessen zu haben, ohne Ge danken im Kopf. Man darf von niemandem gesehen werden und niemanden grüßen. Anderswo badet man oder reibt sich mit Erde oder Asche ein, bevor man zu der Pflanze geht. Man tut das, um die Verunreinigungen, die sich im täglichen Leben ansammeln, abzustreifen, um wieder rein und unschuldig zu werden.
    3. Der Pflanzenschamane geht die Pflanze von Westen heran, mit dem Gesicht nach Osten, der aufgehenden Sonne zugewandt. Das ist die Richtung des aufsteigenden Lichts und Lebens. Zauberpflanzen, wie etwa die Alraune, oder Giftgewächse, die dem Feind Tod und Verderben bringen sollen, wurden dagegen meist vom Osten her angegangen, mit dem Gesicht in Richtung der untergehenden Sonne.
    4. Man opfert der Pflanze etwas Wertvolles, Symbolträchtiges, bevor man sie nimmt. Im indogermanisch-sibirischen Raum wares Milch, Honig oder Bier, in Südasien Reis oder Palmwein, in der Neuen Welt waren es Tabak und Maismehl. Oft wird Blut – in Westafrika Hühnerblut – oder Semen vorgeschrieben. Manchmal wird der Pflanze eine Kupfer-, Silber- oder Goldmünze zugesteckt.
    5. Die Pflanze wird rituell in den Mittelpunkt gestellt, in dem man sie
rechtsläufig
(mit der Sonne) umwandelt oder mit einem Stab umschreibt. Zugleich wird sie mit einem Quadrat umgeben, welches die Kräfte der vier Hauptrichtungen ins Bewußtsein ruft. Christliche Kräutersammler assoziieren die Heilpflanze mit dem Kreuz Christi, das die Mitte des Universums ausmacht. Sie erinnern die Pflanze daran, daß sie aus dem

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