Kräuterkunde
den eigenen Speisezettel. Was gibt es da außer Kartoffeln, Getreide, Hülsenfrüchten und den üblichen fad schmeckenden Gemüsesorten?) Im selben Maße, in dem sich die Auswahl an Nahrungsmitteln verringert oder auf überzüchtete, genetisch manipulierte Kultursorten reduziert, vermindert sich auch die Zufuhr fein differenzierter spiritueller Energien. Um ihre geistige Kraft und körperliche Gesundheit zu steigern, nehmen die Schamanen und Medizinleute also zusätzlich Wildpflanzen in ihre Diät.
Der Tsistsistas-Pflanzenschamane erzählte mir folgendes: Jede Pflanze hat, ebenso wie der Mensch, vier »Seelen«. Die aufgedunsenen Gewächse jedoch, die auf den Feldern der weißen Farmer wachsen, haben nur drei, manchmal auch nur zwei »Seelen«. Solche geschwächten Ackerfrüchte, die nur mit Hilfe von Kunstdünger und Insektengiften am Leben bleiben, können nicht alle vier »Seelen« des Menschen ernähren. Derjenige, der sie zur ständigen Diät macht, stumpft unweigerlich ab. Er funktioniert zwar noch, aber seine feinen geistigen Sinne verkümmern. Deshalb – so der Indianer – haben die Weißen keine Visionen; weder die Sprache der Tiere noch die der Geister verstehen sie.
Aber auch wir, die wir mitten im Getriebe der technomanischen Wohlstandsgesellschaft leben, brauchen uns nicht auf das Supermarktangebot zu beschränken. Neben dem Gemüse bietet unser Biogarten eine große Palette unverdorbener eßbarer Gewächse, die meist als »Unkraut« diffamiert werden. Wegerich, Brennessel, Käsemalven, Vogelmire, junge Löwenzahnrosetten, Sauerampfer, Gänseblümchen sind nur einige von vielen, die sich gut als Gemüse, Suppen oder kräftige Salate zubereiten lassen. Und das Nahrungsangebot geht weit über den Zaun des Gartens hinaus, so daß auch wir ein weites Spektrum kosmischer Kräfte in uns aufnehmen können.
Eine Diät aus einheimischen Wildkräutern schenkt nicht nur Gesundheit, sondern bringt uns in Einklang mit den natürlichen Rhythmen des Jahres. Die zur rechten Jahreszeit gesammelten Wildpflanzen ermöglichen das Einstimmen auf die naheliegende Umwelt. Das Hinausgehen, Suchen und Sammeln, das liebevolle Kochen und genußvolle Verspeisen kann die Grundlage bilden, die uns zur liebevollen Zwiesprache mit der uns umgebenden Natur befähigt. Beim Hamburger-Rind-fleisch aus Südamerika und dem pappig weichen Brötchen, dessen Mehl Gott weiß woher stammt, ist das weniger möglich.
Einige Richtlinien
Ißt der Mensch, was in seiner unmittelbaren natürlichen Umgebung wächst, wird es ihm leichter fallen, mit den Naturgeistern zu kommunizieren. Der Gärtner, der sich von den Früchten seines eigenen Gartens ernährt, braucht keine Bücher, Regeln oder Anweisungen des Landwirtschaftsamts. Er wird das Richtige zur richtigen Zeit tun, denn die im Garten lebenden Heinzelmännchen werden es ihm beibringen.
Orientiert man sich an den traditionellen Ernährungsgewohnheiten der Vorfahren, kommt man leichter mit dem morphogenetischen Feld der Ahnen in Verbindung. Man empfängt die Hilfe der Ahnengeister in Form von »Ahnungen«. Die Amerikaner sind verärgert, daß die Japaner nicht den billigen Reis aus Kalifornien importieren, sondern nur ihren eigenen, teuren, hochsubventionierten Reis essen wollen. Die Japaner sind eben Ahnenverehrer, die sich über den täglichen Reis auf ihre verstorbenen Vorfahren einstimmen. Nichts anderes rät der amerikanische Naturarzt D. C. Jarvis seinen Landsleuten in Neuengland: »Wenn ihr weiterhin mit eurem altenglischen Ethos verbunden bleiben wollt, eßt viel Haferbrei und Heringe.« (
Jarvis 1958
)
Wer hauptsächlich Import- und Kolonialwaren ißt, erweitert sein Bewußtsein horizontal. Er entwickelt weltmännische Weitsicht, aber wenig mystische Tiefe. Bei Handels- und Kolonialvölkern wie den Briten oder Niederländern kommt das als Weltoffenheit und Humanismus zum Ausdruck.
Beschränkt man sich auf die Grundnahrungsmittel, besonders auf Getreide und Brot als »Stab des Lebens«, verspürt man – gemäß der modernen makrobiotischen Lehre – einen zentrierenden Einfluß auf die Persönlichkeit. Ißt man dagegen unausgewogen oder einseitig, fördert das den Hang zu Schrulligkeit und Ausgefallenheit.
Viele Pflanzenschamanen sind Vegetarier, weil eine pflanzliche Diät das Einstimmen auf die vegetative Ebene erleichtert. Andere, etwa die Schamanen der Indianer, essen gern Fleisch. Sie essen es im Bewußtsein der Dankbarkeit. »Heute esse ich dich, ein anderes Mal darfst du mich
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