Kräuterquartett 01 - Das Rascheln von Rosmarin
„Jawohl, meine Herrin. Ich werde sie holen.“ Das zerfurchte Gesicht von Witwe Maggie hatte sich etwas geglättet und Erleichterung leuchtete in ihren Augen.
„Oh, Herrin, habt Dank, dass Ihr gekommen seid.“ Thomas kniete vor ihr auf dem Boden und zupfte heftig an der Locke über seiner Braue. „Mylady, habt Dank für meine Söhne.“
„Das werden zwei kräftige Burschen“, sagte Maris lächelnd und gemahnte sich, daran zu denken, ihnen drei Hühner und ein Kalb aus ihrem eigenen Stall zu schicken. „Was für eine Stütze für Euch in der Werkstatt! Aber Eure Frau wird vorerst noch etwas schwach auf den Beinen sein. Gebt Acht sie nicht zu sehr in Anspruch zu nehmen, bis Maggie es Euch sagt. Behaltet die Tochter vom Schmied als Amme, solange es nötig ist.“
Weil der dunkle Raum mit dem Gestank von Blut ihr nun endlich mit aller Gewalt in die Sinne drang, verspürte Maris das dringende Bedürfnis diesen zu verlassen. Sie sagte allen noch einmal Lebewohl und schlüpfte zur Tür der engen, verrauchten Hütte hinaus.
Es war dunkel – erstaunt blickte Maris hoch zum Mond und den Sternen. Sie hatte fast den ganzen Tag in jenem winzigen Raum verbracht. Müdigkeit überkam sie, jäh gefolgt von einem Ausbruch von Freude, als ihr bewusst wurde, sie hatte zwei neuen Wesen auf die Welt geholfen.
Gott wäre es doch sicherlich lieber, dass sie ihre Zeit mit solchen Dingen verbrachte, anstatt mit Stickereien oder gar auf Knien im Gebet in der Kapelle – was viele Damen vorzogen, darunter auch ihre eigene Mutter.
Maris’ Füße knirschten im Schnee, als sie den Weg lang stapfte und darüber nachgrübelte. In ihrer einen kalten Hand hielt sie ihren Beutel fest, die andere hatte sie sich unter ihren Umhang gesteckt. Der Mond stand leuchtend klar am Himmel und wies ihr den Weg. Fast so, als wäre es Tag.
Das Tor zum Burghof war genau vor ihr, Fackeln beleuchteten es wie zur Einladung. Sicherlich wäre Papa schon zu Bett – und wenn er es nicht war, dann würde sie als seine Heilerin da noch ein Wörtchen mitzureden haben. So wäre der morgige Tag noch früh genug, um das zu bereden, was auch immer ihm auf der Seele lag.
Maris wurde abrupt aus ihren Gedanken gerissen, als aus dem Nichts ein riesiges Pferd vor ihr auftauchte. Viel zu schnell kam es in dem schmalen, menschenleeren Durchgang herangeschossen und Maris schrie hell auf und hielt sich einen Arm schützend vor das Gesicht.
„Bei den Sakramenten, Weib!“, brüllte der Reiter, während er verzweifelt an den Zügeln seines Rosses zerrte, kaum hatte er ihre Gestalt in den Schatten erblickt. „Hast du deine Augen etwa zu Hause gelassen, bevor du dich hier in die Dunkelheit begeben hast?“
Der anfängliche Schock von Maris verwandelte sich da in Ärger. Niemand sprach in dieser Weise mit der Herrin von Langumont. Sie hob das Gesicht, um dem Reiter in die Augen zu blicken, zog ihre Schultern gerade und streckte das Kinn mit einer selbstsicheren Geste vor.
Der Mann war ihr gänzlich unbekannt, aber er bekleidete offensichtlich eine hohe Stellung. Er trug ein Kettenhemd und ritt ein Pferd, das so wertvoll war wie das ihres Vaters. Selbst unter Schock und trotz ihrer Verärgerung nahm sie die Einzelheiten seiner Erscheinung noch wahr: Er war hochgewachsen und breitschultrig, mit dichtem, dunklem Haar, dessen schlecht gebändigte Locken sich tief an seinem Nacken kräuselten. Eine große Hand wedelte wütend nach ihr mit seinem Helm, während die andere darum kämpfte, sein Ross ruhig zu halten.
„Es ist dein Glück, dass ich Nick noch anhalten konnte, bevor wir dich zertrampelt hätten“, fuhr Dirick sie wütend an und war nur allzu froh, dass es ihm in der Tat gelungen war, in den Schatten ihre schlanke Gestalt zu sehen, bevor es zu spät gewesen wäre. Das Herz hämmerte ihm in der Brust bei dem Gedanken, wie nahe er dran gewesen war, das Frauenzimmer vor ihm zu zertrampeln.
Beim Blut Christi, sie war den schmalen, tief in Schatten getauchten Durchgang entlang gelaufen und die Rettung war nur einem glücklichen Mondstrahl zu verdanken, der von etwas Metallischem in ihrem Haar eingefangen worden war und der so seine Aufmerksamkeit erregt und ihn vor der Bewegung im Dunkeln da vor ihm gewarnt hatte.
Wie er so zu ihr runterschaute, fiel ihm ihr recht schmutziges Gesicht und das wirre Haar auf. Im hellen Mondlicht konnte er erkennen, wie ihre Augen ihn wütend anfunkelten – etwa so wie die Augen der Katzen
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