Kräuterquartett 01 - Das Rascheln von Rosmarin
Stück Pergament, das er soeben seinem Gastgeber ausgehändigt hatte, „habe ich hier ein Schreiben Seiner Majestät bei mir.“
Merle drehte das Pergament in seinen Händen hin und her und betrachtete das rote Wachssiegel seines Königs. Der Mann hier vor ihm war nicht ein einfacher Bote. Nachdem er das Siegel aufgebrochen und das Dokument ausgebreitet in Händen hielt, las er aufmerksam die Botschaft des Königs.
„Der König spricht gut von Euch, Sir Dirick“, sagte er, als er das Pergament wieder zusammenfaltete. Etwas nagte ihm im Hinterkopf und es dauerte eine Weile, bis es ihm einfiel. Und dann ... ah . „Ihr seid Dirick von Derkland – Haralds Sohn? Ihr verwendet einen anderen Namen.“
„So ist es.“
„Ohne Zweifel habt Ihr Kunde davon, dass ich es war, der jenen Ort entdeckte, an dem Euer Vater den Tod fand.“ Merles Hand schloss sich fester um das Papier, als er sich an den Geruch völliger Entartung erinnerte, der über jener Wiese gelegen hatte, wo er Haralds verstümmelte Leiche aufgefunden hatte. Noch nie zuvor hatte er dergleichen gesehen, nicht einmal auf dem blutigsten aller Schlachtfelder. Ein Wahnsinniger hatte dort gewütet ... und selbst noch als Merle versuchte festzustellen, ob es irgendwelche Überlebenden gäbe, spürte er, wie das Böse schwer auf dieser kleinen, stillen Lichtung lastete. In seinen Augen brannten Tränen, die ein hartgesottener Mann, wie er es sonst war, nur sehr widerwillig vergoss. „Ich bedauere, dass Euer Vater tot ist und noch dazu auf eine solche Weise. Es war unvorstellbar. Wer auch immer eine solche Tat vollbracht hat, der lebt sicherlich jetzt schon in der Hölle.“
„Ich danke Euch“, erwiderte Dirick, seine grauen Augen immer noch voll aufrichtiger Trauer.
„Der König schreibt, dass Ihr Euch auf der Suche nach dem Mörder Eures Vaters befindet“, fuhr Merle fort und schwenkte das Pergament in einer Hand. „Ich wäre froh, wenn ich Euch in welcher Weise auch immer dabei helfen kann.“ Sein Angebot war ehrlich gemeint, obschon er keinen Drang verspürte die Erfahrung dieses blutigen Anblicks noch einmal zu durchleben.
Dirick nickte kurz und jetzt flackerte da auch noch ein bisschen Wut hinter der Trauer auf. „Auch wenn es sicherlich nicht leicht für Euch ist, würde ich gerne alle Einzelheiten über das erfahren, was Ihr gesehen habt.“
„Natürlich“, erwiderte Merle. „Und es ist sicherlich nicht schwerer für mich, es wieder zu erzählen, wie es für Euch sein wird, alles darüber zu hören. Noch einmal. Ich bedauere es ... und jetzt noch mehr, weil ich Euch nun erzähle, was ich erzählen muss.“
Er schloss kurz die Augen, um sich den Anblick wieder ins Gedächtnis zu rufen, und begann dann zu beschreiben, wie er Derkland dort angetroffen hatte. „Wir reisten an der Grenze zwischen Maitland und dem Forst des Königs entlang – mein Waffenknecht Raymond, meine Schildknappen und dann noch ein paar Soldaten ritten mit mir. Es war spät am Tage, schon fast die Stunde der Dämmerung, und wir waren müde, auf der Suche nach Burg Maitland für die Nacht. Als wir so weiter dahin ritten, drang mir ein schriller, grauenerregender Schrei ans Ohr. Es war der Schrei eines Pferdes in höchster Pein. Mein Ross reagierte, als wäre es selber in Gefahr. Aber als ich die Zügel schießen ließ, brach es sich einen Weg durch das Unterholz hin zu jener Lichtung.“ Merle schluckte, als er sich an den übermächtigen Gestank von Blut überall dort erinnerte, der ihm in die Nase gestiegen war, noch bevor er das Grauen dort erblickt hatte.
Als würde er spüren, dass sein Gastgeber einen Augenblick brauchte, um sich zu sammeln, trank Dirick einen Schluck seines Weines. „Es gab keine Überlebenden?“, fragte er, nachdem er fertig getrunken hatte.
„Nein. Wir haben das Pferd von seinem Leid erlöst – drei Läufe waren gebrochen und man hatte es an einen Baum gebunden. Ich habe noch nie ein solches Gemetzel gesehen. Und solch grausame Folter.“ Merle musste die Zähne zusammenbeißen. „Es war sinnlose Verschwendung und schreckliche Verhöhnung zugleich.“
„Mein Vater?“
Merle holte tief Luft und erinnerte sich an das letzte Mal, als er Lord Harald gesund und wohlauf gesehen hatte. „Keinen einzigen Menschen hätte ich an der Stelle zu sehen gewünscht, ganz besonders nicht Euren Vater. Ich habe ihm zweimal begegnen dürfen und er war ein guter Mann. Wir sprachen davon, meine Maris Eurem
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