Kräuterquartett 01 - Das Rascheln von Rosmarin
Blicke zur Treppe. Dirick war überrascht zu sehen, dass Bon sich anscheinend um eine bessere äußere Erscheinung bemüht hatte. Zum ersten Mal in den drei Tagen hier war sein Bart ordentlich gestutzt und die Tunika, die er trug, wies weder irgendwelche Flecken noch Löcher auf. Selbst das dunkle Haar des Mannes hatte man gebändigt und von seiner hohen Stirn zurückgekämmt, was die grauen Tupfer an seinen Schläfen sehen ließ.
Ein Gemurmel war jetzt von hinten in der Halle zu hören und mit einem Nacken, an dem hinten die Haare plötzlich wie elektrisiert hochstanden, drehte Dirick sich um, nur um Maris zu erblicken, wie sie gerade die Treppe herunterkam. Die Stimmen im Saal verstummten und Bons Aufmerksamkeit war da auf einmal ganz und gar bei der Frau, die sich hier entlang und dort entlang einen Weg zwischen den Bänken und Tischen hindurch bahnte. Ein groß gewachsener Mann von verschlagenem Aussehen mit einer Hakennase folgte ihr auf dem Fuße.
In der großen Halle schien die Zeit stillzustehen, jegliche Unterhaltung war verstummt, während Maris da voranschritt. Sie sah ganz und gar nicht aus wie eine Jungfer, die man der Obhut ihres geliebten Vaters entrissen hatte, den Tag in einen Teppich eingewickelt verbracht hatte, den Blicken von einem Haufen glotzender Männer ausgesetzt hatte und über der das Damoklesschwert einer erzwungenen Heirat hing. Sie sah königlich, selbstbewusst und unvorstellbar schön aus.
Jemand – Dirick nahm an, das war Agnes mit dem Narbengesicht gewesen – hatte sich mit einem Kamm durch die Masse ihrer langen, braunen Haare durchgearbeitet und sie dann hinten an ihrem Nacken kunstvoll zu einem schweren Knoten geschlungen. Sie trug kein Kopftuch und jede Menge Locken, die im Kerzenlicht golden und kastanienfarben leuchteten, fielen aus dem Knoten heraus, und streiften hinten ihre Schenkel, als sie durch den Saal ging. Das Gewand, das sie trug, war vielleicht nicht von so feinem Tuch wie das, was sie auf Langumont tragen mochte, war aber dieser etwas heruntergekommenen Halle eher angemessen. Das Blau ihres Gewands war so dunkel, dass es wie der Himmel zu mitternächtlicher Stunde funkelte, und strahlend gelbe Stickerei umsäumte die Enden ihrer Ärmel, die fast bis auf den Boden reichten. Ein Gürtel schnürte sich eng um ihre Taille und am Hals trug sie eine Kette aus schwerem Gold.
Dirick holte zur eigenen Beruhigung tief Luft. Wie brachte sie es fertig, so schön und sorglos auszusehen, wo sie doch in höchster Gefahr schwebte? Hatte sie mittlerweile verstanden, dass er ihr helfen würde und sie nichts von ihm zu befürchten hatte?
Maris ließ sich auf ihrem Weg zum Ehrentisch, wo Bon sie erwartete, recht viel Zeit. Der Mann mit der Hakennase, der ihr auf der Schleppe herumtrampelte war Sensel, der Wachtposten, den man zu ihrer Bewachung abgestellt hatte. Ihr Atem kam schnell und unruhig und sie versuchte ihre Schritte zu verlangsamen, während sie darum kämpfte, Haltung zu bewahren.
Papa ist auf dem Weg hierher. Papa wird kommen. Wieder und wieder sagte sie diese Litanei zu sich selbst auf.
Als Maris an dem Tisch auf dem Podium anlangte, ließen die Nerven sie fast im Stich. Sie wappnete sich innerlich und tat dann auch noch den letzten Schritt dort ans Podest und sank in einem anmutigen Knicks vor Bons Füßen nieder. „Mylord“, murmelte sie, während sie auf die arg mitgenommenen Stiefel blickte, die er trug.
Zunächst war nur überraschtes Schweigen zu hören und dann hörte sie eine tiefe, grollende Stimme. „Seht nur her, Edwin, welch Ehre mir meine Gemahlin zuteil werden lässt.“ Bon stieg von dem Podest herab, ergriff die Hand von Maris und gebot ihr sich wieder zur vollen Höhe aufzurichten. Sie hielt die Augen züchtig gesenkt, bis er sagte, „Mylady, ich bin es, den Eure Gegenwart hier ehrt. Kommt nur und brecht mit mir das Brot zum abendlichen Mahl.“
Maris vermochte kaum ein nervöses Kichern zu unterdrücken. Geehrt von ihrer Gegenwart, in der Tat. Als ob sie den Weg nach Breakston freiwillig eingeschlagen hätte – wo auch immer es lag. „Ich danke Euch, Mylord.“
Bon war höchst zuvorkommend, als er ihr auf die Bank neben seinem Stuhl half. „Ich hatte fast erwartet, Euch kreischend und mit Gewalt hier runterschleifen zu müssen, um mit mir zu speisen“, sprach er, während er ihren Kelch mit dünnem Wein füllte. „Sensel hatte Befehl von mir. Es erfüllt mich mit Freude, dass Ihr es vorgezogen habt,
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