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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Baby auf dem Arm, wütende Stimmen, ein rotes Kleid, das sich den Gehweg entlang entfernte. Der letzte Blick auf ihren Kombi. Selbstmitleid. Worte aus einem Country & Western-Song, die den Klang der Wahrheit hatten.
    »Dahin fahren wir«, sagte ich. Ich glaube, daß ich es gesagt habe. Ich machte die Augen zu und lauschte dem Klang der Reifen auf dem nassen Pflaster.
    Das Haus des Fahrers war dunkel. Es war eine Kopie aller anderen schäbigen kleinen Häuser, an denen wir in diesem Viertel vorbeigekommen waren - Stuckmauern, ein einziges >Panoramafenster< mit Ausblick auf ein winziges Rechteck Garten, eine Garage, so groß wie der ganze Rest des Hauses zusammen. Niemand sah her, als wir davor hielten. Der Fahrer machte die Garagentür auf und fuhr das Taxi hinein. Da drinnen stand ein Buick neuester Bauart, dunkelblau oder schwarz, das konnte ich im spärlichen Licht nicht erkennen. Ich ließ ihn den Buick auf dem Gehweg parken und zurückkehren. Wir ließen den Motor des Taxis laufen. Der Fahrer zog das Garagentor herunter.
    »Zeig mir das Haus«, sagte ich leise. Es war so vorhersehbar wie deprimierend. In der Spüle stapelte sich das Geschirr, Socken und Unterwäsche lagen auf dem Schlafzimmerboden verstreut, überall Zeitungen, und billige Kunstdrucke von Kindern mit Rehaugen sahen auf das Durcheinander herab.
    »Wo ist deine Waffe?« fragte ich. Ich mußte nicht tief bohren, um herauszufinden, daß er eine Feuerwaffe besaß. Schließlich waren wir hier im Süden. Der Fahrer blinzelte und führte mich nach unten in eine schlecht beleuchtete Werkstatt. Alte Kalender mit Fotografien nackter Frauen hingen an den Schlackesteinwänden. Der Fahrer nickte zu einem billigen Metallspind, wo eine Schrotflinte, ein Jagdgewehr und zwei Pistolen aufbewahrt wurden. Die Pistolen waren in Öllappen eingewickelt. Bei einer handelte es sich um eine einschüssige Sportpistole mit langem Lauf und kleinem Kaliber. Die andere war ein vertrauterer Revolver, Kaliber 38, Sechs-Zoll-Lauf, die mich irgendwie an Charles’ Erbstück erinnerte. Ich verstaute drei Packungen Munition und den Revolver in der Handtasche, dann gingen wir wieder nach oben in die Küche.
    Er brachte mir die Schlüssel des Buick, dann setzten wir beide uns an den Küchentisch, wo ich mir einen Abschiedsbrief für ihn ausdachte. Nicht besonders originell. Einsamkeit. Reue. Unfähigkeit, weiter zu leben. Die Behörden bemerkten wahrscheinlich die fehlende Waffe und würden mit Sicherheit nach dem verschwundenen Automobil suchen, aber die Echtheit des Abschiedsbriefes und die Todesart würden einen Verdacht auf ein Verbrechen zerstreuen. Hoffte ich.
    Der Fahrer kehrte zum Taxi zurück. Schon in den wenigen Sekunden, die die Tür von der Küche zur Garage offenstand, tränten mir die Augen. Der Motor des Taxis kam mir grotesk laut vor. Mein letzter Blick auf den Fahrer zeigte ihn mir aufrecht, Hände fest um das Lenkrad geklammert, den Blick auf den Horizont eines unsichtbaren Highway gerichtet. Ich machte die Tür zu.
    Ich hätte auf der Stelle gehen sollen, mußte mich aber setzen. Meine Hände zitterten, ein Pochen pulsierte in meinem rechten Bein, von dem aus sich Stiche arthritischer Schmerzen in die Hüfte bohrten. Ich umklammerte die Resopaltischplatte und machte die Augen zu. Melanie? Darling, hier ist Nina ... Es konnte keinen Zweifel an der Identität der Stimme geben. Entweder verfolgte Nina mich immer noch, oder ich hatte den Verstand verloren. Das Loch in der Stirn war so groß wie ein Zehncentstück und vollkommen rund gewesen. Kein Blut floß.
    Ich suchte in den Schränken nach Wein oder Brandy. Nur eine halbvolle Flasche Jack Daniels kam zum Vorschein. Ich fand ein sauberes Marmeladenglas und trank. Der Whiskey brannte mir in Hals und Magen, aber meine Hände waren ruhiger, als ich das Glas gründlich ausspülte und in den Schrank zurückstellte.
    Einen Augenblick überlegte ich, ob ich zum Flughafen zurückkehren sollte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Mein Gepäck mußte inzwischen auf dem Weg nach Paris sein. Ich konnte es zurückbekommen, wenn ich den späteren Flug der Pan American nahm, aber ich erschauerte beim bloßen Gedanken daran, ein Flugzeug zu betreten. Willi entspannte sich und wollte mit einem seiner Begleiter sprechen. Dann die Explosion, die Schreie, der lange, dunkle Sturz ins Nichts. Nein, ich würde eine ganze Weile nicht fliegen. Der Motorenlärm des Taxis drang durch die Tür zur Garage herein; ein dumpfes, beharrliches

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