Kraft des Bösen
rannte, und Natalie überholte ihn, noch ehe sie den rissigen Gehweg erreicht hatten. Jemand krallte hinter ihnen durch den Draht. Gentry sah über die Schulter und erblickte einen weißhaarigen Mann in konservativem Anzug, der wie ein tollwütiger Dobermann über Betonplatten kroch. Gentry zog die Ruger heraus und rannte.
Der Boden unter der Eisenbahnbrücke war vereist. Natalie war zuerst dort. Gentry sah, wie die Füße unter ihr wegrutschten und sie heftig in der Dunkelheit stürzte. Er konnte noch bremsen, wirbelte aber trotzdem herum und landete auf einem Knie.
»Natalie!«
»Alles in Ordnung.«
Er tastete in Richtung ihrer Stimme und half ihr auf. »Ich lasse deinen Koffer hier«, sagte er.
Natalie lachte bellend. »Gehen wir.« Sie kamen aus der Dunkelheit in eine Straße, die von parkenden Autos, überwiegend Wracks, verengt wurde. Ausgebrannte Gebäude standen zwischen Reihenhäusern mit erleuchteten Fenstern. Straßenlaternen gab es keine. Gentry konnte Schritte den Hang herunterstapfen und unter der Eisenbahnbrücke hallen hören. Keine Rufe oder Flüche wurden laut, als die Gestalt stürzte, lediglich wuselnde Laute auf Eis und Pflastersteinen.
»Da drüben«, rief Gentry und stieß Natalie halb bergauf in Richtung des ersten erleuchteten Hauses dreißig Meter entfernt.
Er keuchte und stolperte halb, als sie die dreistufige Betontreppe erreichten. Er drehte sich um und hielt Ausschau, während Natalie an die Tür hämmerte und um Hilfe rief. Eine dunkle Silhouette zog einen Moment eine zerrissene Jalousie zur Seite, aber niemand kam zur Tür. »Bitte!« kreischte Natalie.
»Natalie«, rief Gentry. Der Mann im zerrissenen und schmutzigen Anzug lief die letzten zehn Meter auf sie zu. Im Licht des einen Fensters konnte Gentry die aufgerissenen weißen Augen und den offenen Mund erkennen, aus dem Speichel über Kinn und Kragen troff. Gentry legte die Luger an und übte genug Druck mit dem Daumen aus, daß er den Hahn spannte. Dann senkte er Hammer und Waffe wieder. »Zum Teufel«, sagte er, senkte die Schulter und stellte sich dem anstürmenden Mann entgegen.
Der Angreifer prallte mit voller Geschwindigkeit gegen Gentrys Schulter, wurde durch die Luft gewirbelt und landete mit dem Rücken auf dem Gehweg und der untersten Stufe. Der Kopf des Mannes schlug mit einem ekelerregenden Geräusch auf, Gentry beugte sich über ihn, aber der alte Mann sprang sofort wieder auf die Füße, Blut strömte ihm aus dem Haar, und seine Zähne klapperten, als er nach Gentry Hals griff. Der Sheriff packte ihn an den Jackettaufschlägen, schwang ihn über die Straße und ließ ihn fallen. Der Mann schlug auf, rollte sich ab, stieß ein unmenschliches Fauchen aus, das teils Lachen war, und schnellte sofort wieder sprungbereit auf die Füße. Gentry schlug ihn mit dem Griff der Luger nieder. Der Mann blieb zuckend auf dem Gesicht liegen.
Gentry setzte sich auf die unterste Stufe und ließ den Kopf zwischen die Knie hängen. Natalie kickte und hämmerte gegen die Tür. »Bitte lassen Sie uns rein!«
»Ich bin Polizeibeamter!« rief Gentry mit letzter Kraft. »Lassen Sie uns ein.« Die Tür blieb geschlossen.
Weitere Schritte hallten unter der Brücke. »Großer Gott«, stöhnte Natalie, »ich habe gedacht ... Saul sagte, der Standartenführer könnte ... nur einen gleichzeitig ... kontrollieren.«
Die Gestalt einer hochgewachsenen Frau kam unter der Brücke hervor. Sie lief auf Socken und hielt etwas Scharfes in der Hand.
»Komm mit«, sagte Gentry. Sie waren dreißig Schritte bergauf gelaufen, als sie den städtischen Bus hinter der Straßenbiegung aufbrüllen hörten. Die Scheinwerfer strahlten die Backsteinfassaden der Reihenhäuser auf der anderen Straßenseite links von ihnen an.
Gentry suchte nach einer Gasse, einem Brachgrundstück, irgend etwas, aber die solide, ununterbrochene Fassade der Reihenhäuser erstreckte sich fast vierzig Meter bis zur Eisenbahnbrücke. »Wieder da runter!« rief er. »Die Böschung rauf zu den Schienen.« Er drehte sich um, als die große blonde Frau in Strümpfen stumm die letzten zehn Schritte zurücklegte und sich auf ihn stürzte. Sie kippten beide um und rollten auf die nasse Straße. Gentry ließ die Ruger fallen, als er versuchte, ihren Kopf und die schnappenden Zähne von sich fernzuhalten und ihren Hals in den Würgegriff zu nehmen. Die Frau war sehr stark. Sie drehte den Kopf und biß ihm fest in die linke Hand. Gentry ballte die Faust und schlug nach ihrem Kiefer, aber
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