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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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daß sie ihn als Gesetzeshüter identifiziert hatte. »Er ist verletzt.«
    »Das seh ich, Babe. Warum bringst du ihn nicht ins Krankenhaus für weiße Leute?«
    »Jemand ist hinter uns her, Marvin. Laß uns rein.« Natalie wußte, wenn sie sich dem charismatischen jungen Bandenführer verständlich machen konnte, würde er ihr zuhören. Natalie hatte den größten Teil des Wochenendes im Community House verbracht. Sie war am Samstagabend dort gewesen, als bekannt wurde, daß Monk und Lionel getötet worden waren. Auf Marvins Bitte hin war sie mit ihnen gegangen und hatte die verstümmelten Leichen fotografiert. Dann war sie um eine Ecke gestolpert und hatte sich leise in der Dunkelheit übergeben. Erst später erzählte Marvin ihr, daß Monk eine Kopie des Bildes von Melanie Fuller bei sich gehabt und passiven Mitgliedern in der Nachbarschaft gezeigt hatte, um die alte Dame aufzuspüren. Das Foto fand sich nicht bei Monks Leichnam. Natalies Haut war eiskalt geworden, als sie das gehört hatte.
    Unglaublicherweise reagierten weder die Polizei noch die Nachrichtenmedien auf die Morde. Abgesehen von George, dem verängstigten Fünfzehnjährigen, der entkommen konnte, gab es keine Zeugen, und George hatte es keinem erzählt, ausgenommen der >Soul Brickyard<-Bande. Die Bande beließ es dabei. Die beiden verstümmelten Leichen wurden in Duschvorhänge gewickelt und in einer Tiefkühltruhe im Keller von Louis Taylors Unterkunft versteckt. Monk hatte allein in einem abbruchreifen Gebäude abseits der Pastorius Street gewohnt. Lionel wohnte bei seiner Mutter in der Bringhurst, aber die alte Frau befand sich die meiste Zeit im Alkoholrausch und würde ihn tagelang nicht vermissen.
    »Zuerst machen wir den blassen Wichser alle, der das getan hat, dann informieren wir die Bullen und die Fernsehleute«, sagte Marvin Samstag spät nachts. »Wenn wir es ihnen jetzt sagen, werden wir uns hier nicht mal mehr bewegen können.« Die Bande hatte den Befehl befolgt. Natalie war den Sonntagnachmittag über bei ihnen geblieben und hatte immer wieder ihre gekürzte Schilderung von Melanie Fullers Fähigkeiten wiederholt und sich dann die Pläne der Bande angehört. Die Pläne waren einfach: Sie würden die Fuller und das >käsige Monster< finden, das bei ihr war, und beide umbringen.
    Sonntag nacht als es immer heftiger schneite, stand sie auf dem Gehweg und versuchte, die halb bewußtlose Masse von Rob Gentry zu stützen, wahrend sie flehte: »Wir werden verfolgt.«
    Marvin machte eine Bewegung mit der linken Hand. Louis, Leroy und ein Bandenmitglied, das Natalie nicht kannte, sprangen von der Veranda und verschwanden in der Nacht. »Wer ist hinter euch her, Babe?«
    »Ich weiß nicht. Leute.«
    »Sind die voodooverzaubert wie das käsige Monster?«
    »Ja.«
    »Auch von der alten Frau?«
    »Vielleicht. Ich weiß nicht. Aber Rob ist verletzt. Da draußen sind Leute hinter uns her. Laß uns rein. Bitte.«
    Marvin hatte sie mit seinen kalten, wunderschönen blauen Augen angesehen, dann war er beiseite getreten und ließ sie ein. Gentry mußte zu einer Matratze im Keller getragen werden. Natalie hatte darauf bestanden, einen Arzt oder Krankenwagen zu rufen, aber Marvin schüttelte nur den Kopf. »Nn- nnn, Babe. Wir haben zwei Tote, von denen wir keinem nichts erzählen, bis wir die Voodoo-Lady gefunden haben. Wir werden schon gar keinen Weißen wegen deinem verletzten Bullenfreund hier reinlassen. Wir holen Jackson.«
    Jackson war Georges dreißigjähriger Halbbruder, ein ruhiger, halbkahler, kompetenter Mann, der in Vietnam im Lazarett gedient und zweieinhalb Jahre Medizin studiert hatte, ehe er ausgestiegen war. Er kam mit einem blauen Rucksack voll mit Verbänden, Spritzen und Medikamenten. »Zwei Rippen gebrochen«, sagte er leise, nachdem er Gentry untersucht hatte. »Tiefe Schnittwunde hier, aber das hat ihm die Rippen nicht gebrochen. Ein Zentimeter weiter unten, drei Zentimeter tiefer, und er wäre an der Stichwunde gestorben. Jemand hat ihm gehörig in die Hand gebissen. Möglicherweise Gehirnerschütterung. Ohne Röntgen kann ich nicht sagen, wie schlimm. Passen Sie bitte auf, damit ich den Mann behandeln kann.« Er stillte die Blutungen, reinigte und verband die tieferen Schnitt- und Schürfwunden, bandagierte die gebrochenen Rippen und gab Gentry eine Spritze für die Bißwunde, die fast das Häutchen zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand durchgebissen hatte. Dann zerbrach er eine kleine Kapsel unter Gentrys Nase, was den

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