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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Patronen für den Revolver zurück. Ich schickte Louis ins Community House zurück, während Vincent durch den Tunnel hereinkam und Anne das Auto in die Garage ihres Hauses in der Queen Lane zurückfuhr.
    Die Charade mit den Bandenmitgliedern lief ausgezeichnet. Ein- oder zweimal spürte ich, wie mein Kontakt einen Sekundenbruchteil abdriftete, aber das machte ich wett, indem ich Louis Probleme mit seinem Hals vorschützen ließ. Ich erkannte den Bandenführer - Marvin - gleich wieder. Seine blauen Augen hatten mich so unbarmherzig angesehen, als ich am Heiligabend im Hundekot gelegen hatte. Ich freute mich schon darauf, mit diesem Jungen abzurechnen.
    Mitten in der Unterhaltung, als ich mich schon in Sicherheit wiegte, sagte eine junge schwarze Frau hinten in der Menge: »Hast du sie von meinem Foto erkannt?«, und ich verlor um ein Haar die Kontrolle über Louis. Ihre Stimme war frei von diesem harten, häßlichen nördlichen Dialekt. Sie erinnerte mich an zu Hause. Neben ihr, in eine absurde Decke gehüllt, stand ein weißer Mann, dessen Gesicht mir überaus bekannt vorkam. Ich brauchte einen Moment, bis mir klar wurde, daß er auch aus Charleston stammen mußte. Ich glaubte mich zu erinnern, daß ich sein Foto in einer von Mrs. Hodges’ Abendzeitungen gesehen hatte, vor Jahren ... etwas mit einer Wahl.
    ». klingt zu einfach«, sagte Marvin gerade. »Was ist mit den Bullen?« Er meinte die Polizei. Ich wußte vom Verhör von Louis, daß sich Zivilbeamte in der Gegend aufhielten. Er hatte ebensowenig eine Ahnung, weshalb sie hier waren, wie ich, aber ich ging davon aus, daß die Ermordung von fünf Menschen, auch wenn es sich um wertlose Bandenmitglieder handelte, zumindest eine gewisse offizielle Reaktion auslösen mußte. Aber sein häßlicher umgangssprachlicher Ausdruck Bullen für Polizisten stellte den Zusammenhang her. Der weiße Mann mit dem roten Gesicht war ein Polizeibeamter aus Charleston - der Sheriff, wenn ich mich richtig erinnerte. Ich hatte vor Jahren einmal einen Artikel über ihn gelesen. »He, Mann«, ließ ich Louis zu Marvin sagen, »Setch sagt, wir solln dich gleich hinbringen. Willst du sie sehn oder nich?«
    Die Anwesenheit von zwei Menschen aus Charleston und das Wissen, daß sich zahllose Zivilbeamte in der Gegend aufhielten, erfüllte mich mit großer Angst, aber die Besorgnis wurde durch einen Nervenkitzel wettgemacht, der einem wahren Hochgefühl gleichkam. Es war aufregend. Ich fühlte mich mit jeder verrinnenden Stunde dieses Spiels jünger.
    Der Zeitplan war reichlich kitzlig. Ich ließ Vincent die Benzinbomben in den Schrottautos zünden, als Louis den Bandenführer, den Sheriff, an dessen Name ich mich nicht erinnern konnte, und sechs andere in die Straße bei dem Mietshaus führte. Dann blieb ich bei Vincent als dieser hinter das Community House lief, das einzige Bandenmitglied auf der hinteren Veranda eliminierte und mit seiner unhandlichen Sense nach oben ging.
    Ich hatte gehofft, das Mädchen würde mit Louis und den anderen gehen. Das wäre hilfreich gewesen, aber ich hatte schon vor langer Zeit lernen müssen, daß ich mich mit der Wirklichkeit auseinandersetzen mußte, wie sie war, und nicht, wie ich sie gerne gehabt hätte. Aber ich wollte das Mädchen lebend.
    Es kam zu einem kurzen Gerangel im ersten Stock des Community House. Gerade als Louis meine ungeteilte Aufmerksamkeit brauchte, mußte ich mich darauf konzentrieren, Vincent zurückzuhalten, damit er nicht zu brutal wurde. Wegen dieser kurzen Ablenkung konnte das Mädchen auf die Straße hinter dem Haus entkommen. Ich ließ Vincent die Verfolgung aufnehmen und konzentrierte mich wieder auf Louis, der schwankend am Bordstein vor dem Mietshaus stand.
    »Scheiße, was ist denn los, Mann?« Der Name des Anführers der Bande war Marvin Irgendwas.
    »Nichts, Mann«, ließ ich Louis sagen. »Halsweh.«
    »Sicher, daß sie da drin sind?« sagte der namens Leroy. »Ich hör’ nichts.«
    »Sie sind hinten«, ließ ich Louis sagen. Der weiße Sheriff stand in der Nähe im Licht der einzigen Straßenlampe des Blocks. Soweit ich sehen konnte, war er unbewaffnet, abgesehen von einer Kamera wie der, die Mr. Hodges bei jeder Gelegenheit mit sich herumgeschleppt hatte. Zwei Züge, die in ihrer Betonschlucht nicht zu sehen waren, donnerten vorbei.
    »Die Seitentür is offen«, sagte Louis. »Kommt schon, ich zeig’s euch.« Er hatte Augenblicke zuvor seine Jacke aufgemacht. Unter dem Pullover und groben Wollhemd konnte ich vage

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