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Kraft des Bösen

Kraft des Bösen

Titel: Kraft des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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getan.«
    »Selbstverständlich hat er«, sagte Luhar. »Er hätte keinen anderen Grund gehabt, Sie persönlich zu sehen. Was meinen Sie, wie lange Ihr Gespräch mit ihm gedauert hat?«
    »Ein paar Minuten«, sagte Saul.
    »Ein paar Stunden ist wahrscheinlicher. Die Konditionierung muß zweierlei bewirken: daß Sie mich töten, sobald Sie mich sehen, und sie muß gewährleisten, daß Sie nie wieder eine Bedrohung für Mr. Barent sind.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Luhar aß die letzten Zwiebelringe. »Spielen Sie ein einfaches Spiel. Stellen Sie sich Mr. Barent vor, und stellen Sie sich dann vor, wie Sie ihn angreifen.«
    Saul runzelte die Stirn, gehorchte aber. Es war sehr schwer. Wenn er an Barent dachte, wie er ihn zuletzt gesehen hatte - entspannt, braungebrannt auf dem Balkon des Schiffs über dem Meer -, stellte er erstaunt fest, daß er eine Mischung aus Freundschaft, Wohlwollen und Loyalität in sich verspürte. Er versuchte sich vorzustellen, wie er Barent weh tat, wie er die Faust nach diesen glatten, hübschen Gesichtszügen schwang .
    Saul klappte plötzlich vor Schmerzen und Übelkeit zusammen. Er war kurz davor, sich zu übergeben. Kalter Schweiß brach ihm auf Stirn und Wangen aus. Saul tastete nach einem Glas Wasser, schluckte krampfhaft, dachte an etwas anderes und löste so langsam den schmerzenden Knoten in seinem Magen.
    »Interessant, nicht?« sagte Luhar. »Das ist Mr. Barents größter Vorteil. Niemand, der eine gewisse Zeit mit ihm verbringt, könnte sich je vorstellen, ihm etwas zuleide zu tun. Mr. Barent zu dienen bringt vielen Menschen Freude.«
    Saul trank das Wasser leer und wischte sich mit einer Serviette den Schweiß von der Stirn. »Warum kämpfen Sie gegen ihn?«
    »Gegen ihn kämpfen? Nein, nein, mein lieber Bauer. Ich kämpfe nicht gegen ihn. Ich spiele gegen ihn.« Luhar sah sich um. »Bis jetzt haben sie noch keine Mikrofone in der Nähe, um unser Gespräch zu belauschen. Aber in einer Minute wird ein Wagen draußen parken, und es ist aus mit unserer Privatsphäre. Es wird Zeit, daß wir einen Spaziergang machen.«
    »Und wenn ich nicht mitkomme?«
    Jensen Luhar zuckte die Achseln. »In wenigen Stunden wird das Spiel wahrlich sehr interessant werden. Ihnen kommt auch eine wichtige Rolle dabei zu. Wenn Sie etwas gegen die Leute unternehmen wollen, die Ihren Neffen und dessen Familie ausgelöscht haben, sollten Sie mich begleiten. Ich biete Ihnen die
    Freiheit - zumindest von denen.«
    »Aber nicht von Ihnen.«
    »Und nicht von Ihnen selbst teuerster Bauer. Kommen Sie, kommen Sie, es ist Zeit, sich zu entscheiden.«
    »Ich werde Sie eines Tages umbringen«, sagte Saul.
    Luhar grinste und nahm Brille und Handschuhe. »Ja, ja. Kommen Sie?«
    Saul stand auf und sah zum Fenster hinaus. Ein grüner Lieferwagen hatte am Bordstein gehalten. Saul folgte Jensen Luhar nach draußen.
    Die Straßen, die von der Germantown Avenue abgingen, waren schmal und verschlungen. Früher mochten die hohen, schmalen Gebäude einmal angenehme Wohnhäuser gewesen sein - manche erinnerten Saul an die schmalen Häuser in Amsterdam. Jetzt waren sie übervölkerte Slumbehausungen. Die kleinen Geschäfte und Läden waren früher einmal vielleicht der Nukleus einer wahren Gemeinschaft gewesen - kleine Imbißhallen, winzige Lebensmittelläden, Schuhgeschäfte, Kurzwaren. Jetzt warben sie in den Schaufenstern nur noch für tote Fliegen. Enige waren in billige Mietwohnungen umgewandelt worden; eine schmutzige Dreijährige stand in einem Schaufenster und drückte Wangen und verdreckte Finger an die Scheibe.
    »Was haben Sie gemeint, als Sie sagten, daß Sie gegen Barent spielen?« fragte Saul. Er sah über die Schulter, konnte aber keine Spur von dem grünen Lieferwagen erkennen. Spielte auch keine Rolle. Saul war sicher, daß sie noch unter Beobachtung standen. Er wollte nur den Standartenführer finden.
    »Wir spielen Schach«, sagte Luhar. Der große Mann wandte ihm das Gesicht zu, und Saul konnte sein eigenes Spiegelbild in den dunklen Brillengläsern sehen.
    »Und unsere Leben stehen auf dem Spiel«, sagte Saul. Er überlegte verzweifelt, wie er eine Möglichkeit finden konnte, den Standartenführer dazu zu bringen, sein Versteck preiszugeben.
    Luhar lachte und ließ große, weiße Zähne erkennen. »Nein, nein, mein kleiner Bauer«, sagte er. »Eure Leben sind völlig bedeutungslos. Auf dem Spiel steht nicht mehr und nicht weniger als wer die Spielregeln bestimmt.«
    »Welchen Spiels?« fragte Saul. Sie waren

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